Leitsatz (amtlich)
1. Eine Unterbilanzhaftung wegen unterlassener Offenlegung einer wirtschaftlichen Neugründung im Falle der Verwendung eines "alten" GmbH- Mantels setzt voraus, dass die Gesellschaft kein aktives Unternehmen mehr betreibt. Das ist so lange nicht der Fall, wie Gesellschaft noch mit der Abwicklung ihres Geschäftsbetriebes befasst ist (Fortführung von BGH, 18.1.2010 - II ZR 61/09, ZIP 2010, 621).
2. Eine Unterbilanzhaftung im Falle der Mantelverwendung kommt nicht in Betracht, wenn die Neugründung keine unternehmerischen Aktivitäten entfaltet; allein die Anmeldung der Satzungsänderung zum Handelsregister genügt hierfür nicht.
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 12.10.2011; Aktenzeichen 35 O 312/10) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 12.10.2011 verkündete Urteil des LG Berlin - 35 O 312/10 - geändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages zzgl. 10 % abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages zzgl. 10 % leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger, Insolvenzverwalter über das Vermögen der "M.W.GmbH" (im Folgenden: Insolvenzschuldnerin) nimmt die Beklagte zu 1. als alleinige Gesellschafterin und den Beklagten zu 2. als Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin entsprechend den Grundsätzen der Unterbilanzhaftung in Anspruch.
Die Parteien streiten über die Fragen, ob durch die Beklagten ein leerer Gesellschaftsmantel zur wirtschaftlichen Neugründung verwendet worden ist, es für die Anwendbarkeit der Grundsätze der Unterbilanzhaftung geboten ist, dass durch die Neugründung unternehmerische Aktivitäten entfaltet werden, und ob die Insolvenzschuldnerin zum Zeitpunkt der Anmeldung zum Handelsregister eine Unterbilanz aufgewiesen hat.
Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird auf das angegriffene Urteil des LG verwiesen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).
Das LG hat die Beklagten verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger 137.087,46 EUR nebst Zinsen i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen, und zwar die Beklagte zu 1. seit dem 13.10.2010 und den Beklagten zu 2. seit dem 15.10.2010. Ferner hat es die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 25.000 EUR nebst Zinsen i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.7.2010 zu zahlen.
Das LG hat ausgeführt, die Beklagten hafteten gem. § 9a GmbHG auf Schadensersatz, da die Verwendung eines sog. leeren GmbH- Mantels gegenüber dem Registergericht nicht zutreffend erklärt worden sei. Eine wirtschaftliche Neugründung liege vor, da nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten eine unternehmerische Aktivität der H...& R...Logistik GmbH nicht mehr stattgefunden habe. Die Unterbilanz zum Zeitpunkt der Registeranmeldung habe der Kläger durch Vorlage des Jahresabschlusses zum 31.12.2007 und einer Rohbilanz für das Jahr 2009 hinreichend dargelegt. Demgegenüber sei durch die Beklagten nicht plausibel vorgetragen geworden, wie sich in 2008 ein Jahresüberschuss i.H.v. 98.844,10 EUR ergeben haben solle. Da die Beklagten ferner nicht dargetan hätten, dass das Stammkapital von 25.000 EUR zur freien Verfügung der Insolvenzschuldnerin gestanden habe, hafteten sie auch insoweit.
Gegen das am 20.10.2011 zugestellte Urteil wenden sich die Beklagten mit ihrer am 17.11.2011 bei dem KG eingegangenen Berufung, die sie mit dem beim KG am 15.12.2011 eingegangenen Schriftsatz begründet haben.
Die Beklagten tragen vor, das LG habe die Grundsätze der Unterbilanzhaftung zu weit ausgedehnt. Es habe bereits keine leere Hülle vorgelegen, da der Geschäftsbetrieb der H...& R...Logistk GmbH noch bis 2009 abzuwickeln gewesen sei. Zudem sei es bei einer wirtschaftlichen Neugründung unter Verwendung eines alten Mantels zur Haftungsbegründung erforderlich, dass die reaktivierte Gesellschaft eine neue unternehmerische Tätigkeit tatsächlich entfalte. Daran fehle es. Der Höhe nach sei die Forderung nicht berechtigt, nachdem sich per 03/2009 nach Maßgabe der fortgeführten Buchhaltung der Gesellschaft ein Eigenkapital von 24.277,54 EUR ergebe.
Die Beklagten beantragen, unter Abänderung des am 12.10.2011 verkündeten Urteils des LG Berlin, Az. 35 O 312/10, die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil und trägt vor, dass es nach Maßgabe der Rechtsprechung des BGH nicht erforderlich sei, dass durch die wirtschaftliche Neugründung unternehmerische Aktivitäten entfaltet würden. Abgesehen davon sei die Insolvenzschuldnerin aber auch tatsächlich aktiv geworden.
II. Die Berufung der Beklagten wahrt die gesetzlichen Formen und Fristen und ist daher zulässig, §§ 517, 519, 520 Abs. 2 ZPO.
Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.
A. Ansprüche gegen die Beklagte zu 1.
1. Ein Anspruch auf Zahlung von 137...