Entscheidungsstichwort (Thema)

Verkehrswertermittlung im Rahmen des begünstigten Verkaufs landwirtschaftlicher Flächen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Bestimmung des Verkehrswertes einer landwirtschaftlichen Fläche kann auch für Verkaufsfälle vor Inkrafttreten der Neufassung des § 5 Satz 5 FlErwV am 11.7.2009 durch die Einholung eines Gutachtens eines öffentlich bestellten und beeidigten Sachverständigen erfolgen, weil die Erweiterung der Ermittlungsmöglichkeiten eine Erleichterung für den Erwerber mit sich bringt (§ 7 Abs. 2 AusglLeistG).

2. Der Verkehrswert (Marktwert) ist ausgehend von § 194 BauGB durch Ermittlung des Preises zu bestimmen, der in dem Zeitpunkt, auf den sich die Ermittlung bezieht, im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach den rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften, der sonstigen Beschaffenheit und der Lage des Grundstücks ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse zu erzielen gewesen wäre.

3. Maßstab ist nicht der höchstmögliche Preis, sondern der bei einem Verkauf im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach marktangemessenem Aushandeln eines offen - nicht notwendig durch offene Ausschreibung - angebotenen Objekts durchschnittlich erzielte Preis.

 

Normenkette

AusglLeistG § 3 Abs. 5, § 7 S. 1; FlErwV § 5 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 22.09.2009; Aktenzeichen 38 O 300/08)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das am 22.9.2009 verkündete Urteil des LG Berlin, Gesch.-Z.: 38 O 300/08, wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Von der Darstellung eines Tatbestandes sieht der Senat nach §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 ZPO ab.

II. Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

Das LG hat zu Recht entschieden, dass dem Kläger gegen die Beklagte ein Anspruch auf Rückzahlung überzahlter 19.495,44 EUR aus § 2 Nr. 5 des zwischen den Parteien geschlossenen notariellen Kauf- und Übereignungsvertrages vom 19.3.2008 (§§ 133, 157 BGB) zusteht.

1. In § 2 Nr. 5 des Kaufvertrages haben die Parteien einen Anspruch des Klägers als Käufer auf Überprüfung der Kaufpreisbildung und -höhe sowie Anpassung des vereinbarten Kaufpreises vereinbart. Bedenken gegen die Wirksamkeit dieser Anpassungsklausel, die in der Sache den Regelungen in §§ 313 Abs. 1, 2, 315 Abs. 3 BGB entspricht, bestehen nicht. Nach zutreffender Ansicht des LG ist der Vertragsanpassungsanspruch dahingehend auszulegen, dass er sogleich auf die nach dem geänderten Vertragsinhalt geschuldete Leistung geht. Für die Anpassungsrechte nach §§ 313 Abs. 1, 315 Abs. 3 BGB ist es allgemein anerkannt, dass diese sich sofort auf eine sich aus der Anpassung ergebende Leistung richten (vgl. nur Palandt/Grüneberg, 69. Aufl. 2010, § 313 BGB Rz. 41 m.w.N.; ders., a.a.O., § 315 BGB Rz. 17 m.w.N.).

2. Der vom Kläger gezahlte Kaufpreis für das nach § 3 Abs. 5, 7 S. 1 des "Gesetzes über staatliche Ausgleichsleistungen für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können" (im Folgenden: AusglLeistG) begünstigt erworbene Ackerland mit einer Fläche von 18,84 ha ist in dem vom LG ausgeurteilten Umfang überhöht.

Nach § 3 Abs. 7 S. 1 AusglLeistG ist der Wertansatz für landwirtschaftliche Flächen der Verkehrswert, von dem ein Abschlag i.H.v. 35 % vorgenommen wird. Dem zwischen den Parteien vereinbarten Kaufpreis lag ein von der Beklagten ermittelter Verkehrswert von 11.919 EUR/ha zugrunde. Das LG gelangte nach dem Ergebnis einer Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der Überzeugung, dass der tatsächliche Verkehrswert für das streitgegenständliche Ackerland 10.190 EUR/ha betrug. Das lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Im Einzelnen:

a) Das LG hat den Verkehrswert zu Recht durch einen öffentlich bestellten und beeidigten Sachverständigen ermitteln lassen. Es war bei der Verkehrswertbestimmung insbesondere nicht nach § 5 Abs. 1 S. 5 der "Verordnung über den Erwerb land- und forstwirtschaftlicher Flächen und Verfahren nach Ausgleichsleistungsgesetz" a.F. (im Folgenden: FlErwV a.F.) darauf beschränkt, ein Gutachten des dort allein vorgesehenen Gutachterausschusses einzuholen. Die Vorschrift betrifft nur die (außergerichtliche) Verkehrswertermittlung der Kaufvertragsparteien und nicht das gerichtliche Verfahren. Hierfür bleibt § 404 Abs. 1 ZPO maßgebend.

Damit kann dahin stehen, dass die in der seit dem 11.7.2009 geltenden Neufassung des § 5 FlErwV in Satz 5 alternativ vorgesehene Einholung eines Verkehrswertgutachtens eines öffentlich bestellten und beeidigten Sachverständigen auf den vorliegenden (Alt-) Fall nach § 7 Abs. 2 AusglLeistG anwendbar ist. § 7 Abs. 2 AusglLeistG ordnet eine Rückwirkung auf Altfälle an, wenn Änderungen Erleichterungen für den Erwerber mit sich bringen. Die Erweiterung der Möglichkeiten für eine Verkehrswertermittlung führt zu einer solchen Erleichterung.

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