Entscheidungsstichwort (Thema)

Obliegenheitsverletzung durch Unfallflucht

 

Leitsatz (amtlich)

Wer nach einem Unfall die umfassende und zuverlässige Feststellung der für die Beurteilung des Geschehens wesentlichen Tatsachen durch Entfernen vom Unfallort beeinträchtigt, verletzt seine Obliegenheit nach § 7 AKB auch dann, wenn er das Fahrzeug und seine Papiere zurücklässt.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 29.08.2001; Aktenzeichen 17 O 226/00)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 29.8.2001 verkündete Urteil des LG Berlin – 17 O 226/00 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird gestattet, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger fuhr am 22.10.1998 gegen 1.45 Uhr den F. Damm entlang, kam von der Fahrbahn ab und fuhr gegen einen Baum. Dieser und ein weiterer Baum wurden beschädigt. Der Kläger entfernte sich vom Unfallort und suchte um 18.15 Uhr desselben Tages die Polizei auf.

Er nimmt den Beklagten als Versicherer des bei ihm vollkaskoversicherten Pkw BMW 730i, den der Kläger bei der B. Leasing GmbH geleast hatte, auf Erstattung seiner durch den Unfall erlittenen Schäden in Anspruch.

Durch – rechtskräftigen – Strafbefehl vom 10.2.1999 ist gegen den Kläger wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort eine Geldstrafe i.H.v. 15 Tagessätzen zu je 60 DM festgesetzt worden.

Die Parteien streiten u.a. darüber, ob der Kläger Unfallflucht begangen habe und ein Leistungsanspruch daher nach § 7 AKB i.V.m. § 6 Abs. 3 VVG ausgeschlossen ist. Der Kläger hat geltend gemacht, er habe einen „Unfallschock” erlitten; das Entfernen vom Unfallort könne ihm daher nicht zur Last gelegt werden.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im ersten Rechtszug wird auf den Tatbestand des Urteils des LG und die darin enthaltenen Verweisungen Bezug genommen.

Das LG hat die Klage im Termin am 17.1.2001 durch Versäumnisurteil abgewiesen. Auf den Einspruch des Klägers hat es durch das am 29.8.2001 verkündete Urteil das Versäumnisurteil aufrecht erhalten.

Der Beklagte sei nach § 7 AKB i.V.m. § 6 Abs. 3 VVG von seiner Verpflichtung zur Leistung frei geworden. Der Kläger habe nicht nachgewiesen, dass er einen Unfallschock erlitten habe, durch den die Schuldfähigkeit vorübergehend ausgeschlossen worden sei.

Wegen weiterer Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils des LG Bezug genommen.

Hiergegen hat der Kläger form- und fristgerecht Berufung eingelegt.

Der Kläger trägt vor:

Durch sein Verhalten sei dem Beklagten keine Information entgangen, die für seinen Leistungsanspruch aus dem Schadensereignis erheblich sein könnte, insb. liege keine Trunkenheitsfahrt vor, auch habe er – wenn auch unbeabsichtigt – unstreitig seine Aktentasche mit Geldbörse, Geldkarten etc. zurückgelassen und damit die Feststellung seiner Personalien ermöglicht.

Bereits diese Verhaltensweise des Klägers zeige, dass er unter Unfallschock gestanden habe.

Der Kläger sei – ungeachtet seines forschen Auftretens im täglichen Leben – höchst sensibel und verantwortungsbewusst; daher könnten auch vergleichbar geringfügige plötzliche unerwartete Ereignisse einen Schock bei ihm auslösen.

Er habe keinerlei Erinnerung an den Unfall selbst und die Nacht.

Der Kläger beantragt, unter Abänderung des Urteils des LG Berlin – 17 O 226/00 – vom 29.8.2001 das Versäumnisurteil des LG vom 17.1.2001 aufzuheben und den Beklagten und Berufungsbeklagten zu verurteilen, an den Kläger zu Händen der B. Leasing Bank 25.534,26 Euro nebst 4 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf deren Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung ist unbegründet.

Das LG hat das Versäumnisurteil, durch welches die Klage abgewiesen worden ist, zu Recht aufrecht erhalten. Der Beklagte ist nach § 7 Abs. 2, 4 AKB (Allgemeine Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung) i.V.m. § 6 Abs. 3 VVG (Versicherungsvertragsgesetz) von seiner Leistungsverpflichtung frei geworden.

Nach § 7 Abs. 2 AKB hat der Versicherungsnehmer u.a. „alles zu tun, was zur Aufklärung des Tatbestandes und zur Minderung des Schadens dienlich ist.” Verletzt der Versicherungsnehmer eine der in § 7 AKB aufgeführten Obliegenheiten, besteht nach Abs. 4 der Vorschrift Leistungsfreiheit des Versicherers nach Maßgabe des § 6 Abs. 3 VVG.

Diese Voraussetzungen liegen vor:

1. Der Kläger hat – das bedarf keiner näheren Ausführungen – eine Unfallflucht i.S.d. § 142 StGB begangen.

Indem er sich nach einem von ihm allein verschuldeten Fremdschaden auch unter Zurücklassung von Fahrzeug und Papieren von der Unfallstelle entfernt hat und für die Polizei unauffindbar blieb, hat ...

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