Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 45 O 371/15) |
Tenor
Auf die Berufungen des Klägers und der Drittwiderbeklagten wird das am 27. Januar 2016 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin, Az.: 45 O 371/15, abgeändert und neu gefasst:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 7.244,20 EUR nebst Zinsen in Höhe fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18. Mai 2015 zu zahlen. Im Übrigen werden die weitergehende Klage und die Widerklage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
(abgekürzt nach § 540 Abs. 2 ZPO in Verbindung mit § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO)
I. Die Berufungen des Klägers und der Drittwiderbeklagten sind nach § 511 Abs. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Berufungsschrift ist am 24. Februar 2016 und damit innerhalb der Monatsfrist des § 517 ZPO eingegangen, weil das angefochtene Urteil den Klägervertretern am 4. Februar 2016 zugestellt worden ist. Auch die Berufungsbegründungsschrift ist innerhalb der bis zum 4. Mai 2016 verlängerten Frist, nämlich am 3. Mai 2016, beim Gericht eingegangen. Sie erfüllt die Anforderungen nach § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO.
II. Die Berufung der Drittwiderbeklagten hat in vollem Umfang, die des Klägers im Wesentlichen Erfolg. Die Beklagten sind verpflichtet, dem Kläger aus dem Verkehrsunfall vom 17. März 2015 um 20.11 Uhr die gesamten Kosten für die Reparatur zur Beseitigung des Unfallschadens in Höhe von 12.868 EUR nebst einer Wertminderung in Höhe von 800 EUR zzgl. 20 EUR Kostenpauschale als Schadensersatz zu zahlen. Wegen der vorgerichtlichen Zahlung der Hälfte der Reparaturkosten und der Kostenpauschale sind an den Kläger noch 7.244,20 EUR nebst Zinsen zu zahlen (6.434,20 EUR + 800 EUR + 10 EUR). Einen Anspruch auf weitere Nebenforderungen hat der Kläger demgegenüber nicht. Die Widerklage kann keinen Erfolg haben, weil der Kläger und damit auch die Widerbeklagte der Beklagten zu 2) nicht zum Schadensersatz verpflichtet ist.
1. Der Senat ist nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an die vom Landgericht getroffenen Feststellungen gebunden, weil keine konkreten Anhaltspunkte vorhanden sind, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen rechtfertigen. Von den Parteien werden derartige Anhaltspunkte auch nicht geltend gemacht werden. Danach versuchte der Beklagte zu 1) mit dem zuvor geparkten Fahrzeug von der rechten, zum Parken benutzten Spur auf die mittlere Spur anzufahren. Dabei stieß er mit dem auf der als Bussonderfahrstreifen (Zeichen 245 der Anl. 2 zu § 41 Abs. 1 StVO mit Zusatzzeichen nach lfd. Nr. 25 Nr. 2 der Anl. 2 zu § 41 Abs. 1 StVO) ausgewiesenen mittleren Fahrspur fahrenden KfZ des Klägers zusammen. Die Beklagte zu 2) ist die Halterin und Eigentümerin des von dem Beklagten zu 1) gefahrenen Fahrzeug. Der Kläger fuhr seinen Pkw selbst. Das Landgericht ist bei der danach vorzunehmenden Haftungsabwägung von einer Verursachungs- und Verschuldensqoute von 2/3 zu Lasten der Beklagten und 1/3 zu Lasten des Klägers ausgegangen. Während dem Beklagten zu 1) ein Verstoß gegen die Pflichten aus § 10 Satz 1 StVO vorzuwerfen sei, habe der Kläger unberechtigt den Bussonderfahrstreifen benutzt.
2. Dem folgt der Senat nicht. Bei der notwendigen Abwägung nach den §§ 17 Abs. 1, Abs. 2, 18 Abs. 1, Abs. 3 StVG ist vielmehr davon auszugehen, dass die Beklagten die Folgen des Unfalls allein zu tragen haben.
a) Es kann dahinstehen, ob der Entscheidung des 29. Zivilsenats vom 8. Juni 2015 (Az.: 29 U 1/15 - juris) zu folgen ist. Dort hat die Einzelrichterin ausgeführt, dass das Befahren der Busspur ein Mitverschulden begründe, weil die Übersichtlichkeit der Verkehrslage beeinträchtigt werde, so dass der Linksabbieger, der in eine Grundstückseinfahrt abbiegen will, nicht den gesamten Schaden allein tragen müsse. Denn im vorliegenden Fall geht es um die Frage, ob derjenige, der sich unter Verstoß gegen § 10 Satz 1 StVO in den fließenden Verkehr einreihen will, sich darauf berufen kann, dass der andere Unfallbeteiligte die Fahrspur unberechtigt befahren hat.
Dies ist nach Auffassung des Senats in einem Fall, wie dem Vorliegenden zu verneinen. Etwas andere könnte nur dann gelten, wenn das Verbot für den allgemeinen Verkehr den durch Zeichen 245 ausgewiesenen Bussonderfahrstreifen zu befahren, der Unfallverhütung diente. Das ist nicht der Fall. So sollen mit der Einführung von Bussonderfahrstreifen Störungen des Linienverkehrs vermieden und soll der geordnete und zügige Betriebsablauf mit Taktfahrplänen gewährleistet werden (BR-Drucks. 428/12, S. 155). Ein Zweck, unfallverhütend eine besondere Übersichtlichkeit der Verkehrslage herbeizuführen, wie dies in der Entscheidung des 29. Zivilsenats ausgeführt wird, lässt sich daraus nicht ableiten. Der Beklagte zu 1) durfte nicht damit rechnen, dass auf dem Bussonderfahrstreifen kein Fahrzeug anzutreffen sein wird. Die - besonderen - Anford...