Leitsatz (amtlich)
1. Zur Frage der Urheberrechtsschutzfähigkeit dokumentarischer Filmaufnahmen sowohl unter dem Aspekt des Films als solchem als auch unter dem Aspekt der ihn bildenden Einzelbilder.
2. Zur Frage der Verwirkung bei Leistungsschutzrechten hinsichtlich von Lichtbildern nach § 72 UrhG.
Normenkette
UrhG § 2 Abs. 1 Nr. 5, § 2 Nr. 6, § 2 Abs. 2, § 72; BGB § 242
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 20.05.2011; Aktenzeichen 15 O 573/10) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Kläger gegen das am 20.5.2011 verkündete Urteil des LG Berlin - 15 O 573/10 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
II. Dieses Urteil und das in Ziff. I. genannte Urteil des LG Berlin sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angegriffenen Urteil des LG Bezug genommen. Ergänzend wird ausgeführt:
Die Kläger begehren - aus übertragenem behaupteten Recht des Kameramanns E. - im Hinblick auf eine Filmsequenz betreffend den Abtransport des am 17.8.1962 an der Berliner Mauer von Soldaten der NVA bei einem Fluchtversuch angeschossenen und tödlich verwundeten DDR-Bürgers Peter Fechter gegenüber der Beklagten Unterlassung der Verwertung, Auskunft sowie die Feststellung, ihnen gegenüber zum Wertersatz verpflichtet zu sein.
Das LG hat die Klage mit einem am 20.5.2011 verkündeten Urteil - 15 O 573/10 - abgewiesen. Mit ihrer Berufung verfolgen die Kläger ihr Begehren in zweiter Instanz fort.
Die Kläger rügen:
Es sei keine Verwirkung des Unterlassungsanspruchs eingetreten. Das LG habe in diesem Zusammenhang die hohe Wertigkeit des besonderen verfassungsrechtlichen Schutz genießenden Urheberrechts nicht ausreichend berücksichtigt. Die Beklagte habe keinen nach der Rechtsprechung des BGH schon im Ausgangspunkt für eine Verwirkung erforderlichen wertvollen Besitzstand geschaffen. Dieser erfordere betriebliche Einrichtungen, Vorkehrungen und Investitionen. Insbesondere könnten weder der Abschluss des Vergleichs mit dem scheinbaren Urheberrechtsinhaber noch die "Vermögensdisposition" durch Zahlung an diesen einen solchen wertvollen Besitzstand begründen. Zum einen handele es sich hierbei nicht um betriebliche Investitionen. Zum anderen seien diese Dispositionen allenfalls vom Sender Freies Berlin getroffen worden, während die Beklagte auch aus dem Ostdeutschen Rundfunk Brandenburg hervorgegangen sei. Eine Gesamtrechtsnachfolge der Beklagten in Bezug auf diese beiden Sender werde mit Nichtwissen bestritten. Zum Dritten sei ein etwa so geschaffener Besitzstand jedenfalls nicht wertvoll; denn von den bezahlten 200.000 DM für über 25 GNT- Sequenzen entfielen rechnerisch lediglich etwa 4.000 EUR auf die streitgegenständliche Sequenz. Dies entspreche etwa dem Wochengehalt der Intendantin ER. Bei einem in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruch sei darüber hinaus hinsichtlich einer Verwirkung noch größere Zurückhaltung geboten als für Ansprüche für die Vergangenheit. Auch wenn Letztere verwirkt seien, könne nach einer Abmahnung Unterlassung für die Zukunft verlangt werden. Dem stehe auch nicht entgegen, dass die streitgegenständlichen Aufnahmen angeblich nur als Lichtbilder geschützt seien; sie seien nämlich vielmehr als Filmwerk, jedenfalls als Lichtbildwerk, geschützt. In der Temperaturwächter-Entscheidung habe der BGH auch darauf abgestellt, dass eine rechtliche Bewertung als patentverletzend von dem Betreffenden nicht gezogen worden war und dass noch über das Ende der Patentlaufzeit hinaus sieben Jahre zugewartet worden war. Herr E. habe aber keine Kenntnis von der rechtlichen Bewertung des streitgegenständlichen Sachverhalt als urheberrechtsverletzend gehabt und auch die Schutzfrist von 70 Jahren nach dem - noch gar nicht eingetretenen - Tod des Herrn E. sei noch nicht abgelaufen.
Die in Rede stehende Filmsequenz genieße Urheberrechtsschutz als Filmwerk. Bei Filmwerken sei auch die sog. kleine Münze geschützt, also Gestaltungen, die bei einem Minimum an die Gestaltungshöhe gerade noch urheberrechtsfähig sind, wie etwa Kataloge, Preislisten oder auch Fotografien. Letztere bräuchten nach Art. 6 der Schutzdauerrichtlinie vom 29.10.1993 (93/98/EWG) lediglich das Ergebnis der eigenen geistigen Schöpfung ihres Urhebers zu sein. Die vom BGH der Entscheidung "Filmregisseur" herangezogenen Kriterien seien vorliegend für die Prüfung der Schutzfähigkeit nicht zu berücksichtigen. Es könne nicht verlangt werden, dass die Gestaltung des Lichtbildwerks das Schaffen des Durchschnittsgestalters deutlich überrage. Ein Vergleich mit dem im Jahre 1962 von der Stiftung World Press Photo zum Pressefoto des Jahres gewählten Foto des Fotografen Hector Rondon Lovera aus Ve...