Leitsatz (amtlich)
1. Der Zahlungsantrag "... zzgl. Ust ... " genügt den Bestimmtheitsanforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
2. Für den Abschluss eines Vertrages, der die vergütungspflichtige Überlassung einer Person für deren Tätigkeit als Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft zum Gegenstand hat, ist auf Seiten der Aktiengesellschaft gem. §§ 84 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. Abs. 1 Satz 1, 112 Satz 1 AktG ausschließlich der Aufsichtsrat zuständig.
3. Ein auf die Überlassung einer Person zur Ausübung ihrer Vorstandstätigkeit für eine Aktiengesellschaft gerichteter Vertrag verstösst nicht gegen die aktiengesetzliche Kompetenzzuweisung und ist selbst dann wirksam, wenn die darin getroffene Vergütungsregelung nicht den für die Bezüge von Vorstandsmitgliedern geltenden Grundsätzen des § 87 AktG entspricht.
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 17.01.2011; Aktenzeichen 101 O 88/10) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 17.1.2011 verkündete Urteil des LG Berlin - 101 O 88/10 - wird zurückgewiesen.
Der Rechtsstreit wird zur Durchführung des Nachverfahrens an das LG Berlin zurückverwiesen.
Die Kosten der Berufung hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages zzgl. 10 % abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages zzgl. 10 % leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Hinsichtlich der erstinstanzlichen Anträge, der tatbestandlichen Feststellungen sowie des Inhalts der angefochtenen Entscheidung wird auf das im Tenor näher bezeichnete Urteil Bezug genommen.
Die Beklagte begehrt mit ihrer Berufung die Abweisung der Klage. Das LG habe verkannt, dass ihr Aufsichtsrat für den Abschluss des Vertrages nicht vertretungsbefugt gewesen sei. Die gewählte Vertragskonstruktion sei nach "zwingendem Aktienrecht" unzulässig, da sie die Zuständigkeit des Aufsichtsrats für Abschluss, Beendigung und Inhalt des Anstellungsvertrages unterlaufe. Sie sei zudem zur fristlosen Kündigung berechtigt gewesen, auf die § 314 BGB und nicht § 626 BGB anzuwenden seien; sie, die Beklagte, habe zum Kündigungssachverhalt hinreichend substantiiert vorgetragen.
Sie beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und vertieft ihren Vortrag.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.1. Die Klage ist - auch im Umfang des Antrags "zzgl. Ust" - zulässig und wahrt das Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die genaue Berechnung eines Zahlungsanspruch kann in Antrag und Tenor offen bleiben, wenn sie anhand allgemein kundiger Daten ohne weiteres möglich ist (Greger, in Zöller, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 253 Rz. 13a). Bei der Vollstreckung muss allerdings bestimmbar sein, aus welchen Zeiträumen die tenorierten Hauptforderungen herrühren. Diesen Anforderungen ist vorliegend Genüge getan, da dem jeweiligen Vollstreckungsorgan die Bestimmung durch die gebotene Heranziehung der Urteilsgründe möglich ist (vgl. Stöber, in Zöller, ZPO, a.a.O., § 704 Rz. 5).
Die Klage ist auch als Urkundsklage gem. §§ 592 ff. ZPO statthaft; Tatsachen, die die Unstatthaftigkeit der Urkundsklage begründen würden, sind weder dargetan noch ersichtlich.
2. Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten ein Zahlungsanspruch i.H.v. 180.880 EUR (5 × 30.440 EUR zzgl. Ust.) gem. §§ 611, 675 BGB i.V.m. dem zwischen den Parteien geschlossenen Beratungs- und Geschäftsbesorgungsvertrag vom 23.2.2008 zu.
a. Der Vertrag ist wirksam zustande gekommen. Dem steht nicht entgegen, dass er auf Seiten der Beklagten von deren Aufsichtsrat(vorsitzendem) unterzeichnet worden ist. Der Aufsichtsrat der Beklagten war für den Abschluss der Vereinbarung gem. §§ 84 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. Abs. 1 Satz 1, 112 Satz 1 AktG ausschließlich zuständig. Danach ist für die Entscheidung über den
Anstellungsvertrags eines Vorstandsmitglieds und dessen Inhalt ausschließlich der Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft als Organ zuständig (Spindler, in: Aktiengesetz, Bd. 2, 3. Aufl. 2008, § 84 Rz. 59 m.w.N.). Zwar handelt es sich bei der streitgegenständlichen Vereinbarung vom 23.2.2008 nicht um den Anstellungsvertrag selbst; mit der Vereinbarung regeln die Parteien vielmehr die Überlassung des Herrn S. an die Beklagte als deren Vorstand und die von der Beklagten dafür zu erbringende Gegenleistung. Da Herr S. mit der Beklagten jedoch keine weitere ausdrückliche Vereinbarung hinsichtlich seiner zu erbringenden und in der Folgezeit erbrachten Vorstandstätigkeit für die Beklagte getroffen hat, wird die Beklagte allein durch die streitgegenständliche Vereinbarung zur Erbringung einer (Gegen-)Leistung verpflichtet. Die Vereinbarung begünstigt Herrn S. zwar nicht unmittelbar, da nicht er selbst, sondern die von ihm a...