Entscheidungsstichwort (Thema)
Insolvenzgeld. Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft. Arbeitnehmereigenschaft. Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit. Masselosigkeit. Beschäftigung. Organschaftliche Stellung. Weisungsgebundenheit. Aufsichtsrat. Einzugstelle
Leitsatz (redaktionell)
1. Wurde ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt, scheidet die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit als Insolvenzereignis aus.
2. Ein Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaften ist kein Arbeitnehmer i.S.v. § 183 SGB III, unabhängig davon, ob es am Kapital des Unternehmens beteiligt ist, ob es für seine Tätigkeit eine Vergütung erhält und wie groß die Aktiengesellschaft ist.
3. Liegen die Voraussetzungen des § 336 SGB III nicht vor, ist die Bundesagentur für Arbeit bei einer Entscheidung über die Bewilligung von Insolvenzgeld nicht an die Entscheidung der Einzugsstelle über Versicherungspflicht gebunden.
Orientierungssatz
Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft gelten nicht als Arbeitnehmer im Sinne von § 27 SGB 3 und haben daher keinen Anspruch auf Insolvenzausfallgeld gemäß § 183 SGB 3 (Anschluss BSG, Urteil vom 22. April 1987, Az.: 10 RAr 6/86; Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 22. April 2005, Az: L 8 AL 7/04). Auf die Größe der Aktiengesellschaft kommt es insoweit ebenso wenig an wie auf den Umfang der eigenen Kapitalbeteiligung des Vorstandsmitglieds.
Normenkette
SGB III § 25 Abs. 1 S. 1, § 183 Abs. 1 S. 1, § 336; SGB IV § 1 Abs. 1 S. 2, § 7 Abs. 1; AktG § 76 Abs. 1, §§ 87, 111; InsO §§ 17, 19; BGB §§ 187-188
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 09. Juni 2005 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten Insolvenzgeld für die Zeit vom 11. Oktober 2002 bis 10. Januar 2003.
Die 1960 geborene Klägerin war nach ihren Angaben vom 01. Januar 1980 bis 31. Dezember 1982 als Kassiererin und Schreibkraft, anschließend bis November 1983 als Lohnbuchhalterin und vom 01. Dezember 1983 bis 30. September 1990 als Kassiererin Zahlungsverkehr, Betriebsplanung und Abrechnung bei der damaligen Meliorationsgenossenschaft (MG) SEE beschäftigt. Nach Umwandlung dieses Betriebes in die “U- eG„ arbeitete die Klägerin vom 01. Oktober 1990 bis 11. Dezember 1990 als Kassiererin Bilanz- und Grundmittelabrechnung und vom 12. Dezember 1990 bis 30. März 1991 als kommissarische Hauptbuchhalterin, Leitung und Kontrolle der Buchhaltung, Kasse- und Bilanzbuchhaltung. Vom 01. April 1991 bis 10. Januar 2003 hatte sie die Funktion einer Oberbuchhalterin, Leitung des Buchhaltungsbereiches, inne (Arbeitsvertrag zwischen der Klägerin und der “U- eG„ vom 28. März 1991 - Tätigkeitsbeginn “1.4.1991 [1.1.80]„). Bei der “U- eG„ betrug das Gehalt der Klägerin ausweislich des Änderungsvertrages vom 30. März 1994 zum Arbeitsvertrag ab dem 1. April 1994 4.400,- DM monatlich.
Mit notariell beglaubigtem Beschluss vom 14. August 1996wurde die U- eG mit Wirkung zum 01. Januar 1996 in die “U AG" (im Folgenden: U AG) mit einem Grundkapital von 117.000 DM umgewandelt. Aktieninhaber am Grundkapital waren die Mitarbeiter der ehemaligen U- eG. Die Klägerin selbst hielt Aktien im Wert von 4.500 DM vom Grundkapital.
Durch Beschluss vom 14. August 1996 bestellte der Aufsichtsrat die Klägerin, neben fünf weiteren Personen, zum Mitglied des Vorstandes der U AG. Nach § 6 der am 14. August 1996 notariell festgestellten Satzung (Gesellschaftsvertrag) wurde die U AG nach außen durch ein Mitglied des Vorstandes vertreten, wenn ihm der Aufsichtsrat die Befugnis zur Alleinvertretung erteilt hatte, anderenfalls durch zwei Mitglieder des Vorstandes oder durch ein Mitglied des Vorstandes in Gemeinschaft mit einem Prokuristen. War nur ein Vorstandsmitglied im Amt, sollte es die Gesellschaft allein vertreten.
Der Vorstand hatte sich gemäß § 5 Abs. 2 der Satzung eine Geschäftsordnung gegeben (GO U), die u.a. folgende Bestimmungen enthielt:
§ 1: Der Vorstand leitet die “U" T E AG in eigener Verantwortung gemäß den Vorschriften der Gesetze, insbesondere des Aktiengesetzes, der Satzung der Aktiengesellschaft und dieser Geschäftsordnung.
§ 4 Abs. 1: Die Vorstandsmitglieder sind zur vertrauensvollen Zusammenarbeit verpflichtet. Sie tragen in ihrer Gesamtheit die Verantwortung für die Leitung der “ U TG " UT AG.
§ 7 Abs. 1 Satz 1: Zu den Aufgaben des Vorstandes gehört die verantwortliche Leitung, die Organisation und Überwachung der “UTG" UT AG.
§ 9 Abs. 1 Satz 1: Der Vorstand vertritt die “U" U T AG als Arbeitgeber gegenüber allen Mitarbeitern.
Die Klägerin schloss mit der U AG am 14. August 1996 einen Anstellungsvertrag, wonach der “Anstellungsvertrag vom 01. April 1991 (01. Januar 1980) … neu gefasst„ und die Klägerin durch Beschluss des Aufsichtsrats vom 14. August 1996 als “Vorstandsmitglied" für die Dauer von 5 Jahren b...