Entscheidungsstichwort (Thema)
Insolvenzgeld. Vorstandsmitglieder von Aktiengesellschaften. Arbeitnehmereigenschaft. Insolvenzzeitpunkt. Vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit. Sperrwirkung. Publizitätselemente. Betriebseinstellung. Zahlungsverzug. Offensichtliche Masselosigkeit. Insolvenzgeldzeitraum. Insolvenzgeldrechtlicher Arbeitnehmerbegriff. Aktienrechtliche Besonderheiten. Arbeitsrechtliche Qualifikation des Anstellungsvertrags
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein bereits gestellter Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, selbst wenn er noch am Tag der Betriebseinstellung gestellt wird, löst für den grundsätzlich nachrangigen Insolvenztatbestand der Betriebseinstellung (§ 183 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB III) eine Sperrwirkung aus.
2. Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft sind wegen ihrer unabhängigen Stellung im Unternehmen grundsätzlich nicht Arbeitnehmer im Sinn der Insolvenzausfallversicherung, weil sie selbst durch Weisungen die Geschicke des Unternehmens leiten und demzufolge nicht persönlich abhängig sind.
Orientierungssatz
Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft gelten nicht als Arbeitnehmer im Sinne von § 27 SGB 3 und haben daher keinen Anspruch auf Insolvenzausfallgeld gemäß § 183 SGB 3 (Anschluss BSG, Urteil vom 22. April 1987, Az.: 10 RAr 6/86; Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 22. April 2005, Az: L 8 AL 7/04). Auf die Größe der Aktiengesellschaft kommt es insoweit ebenso wenig an wie auf den Umfang der eigenen Kapitalbeteiligung des Vorstandsmitglieds.
Normenkette
SGB III § 183 Abs. 1 S. 1, § 25; SGB IV § 7; HGB § 76 Abs. 1; AktG §§ 78, 82, 84, 88, 111 Abs. 4; BGB §§ 187-188
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 26. Mai 2005 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten Insolvenzgeld für die Zeit vom 11. Oktober 2002 bis 10. Januar 2003.
Der 1954 geborene Kläger ist ausgebildeter Diplom-Agraringenieur. Er war bereits vor 1990 Mitglied der Meliorationsgenossenschaft ZBE “S E„ E und war nach eigenen Angaben dort von 1979 bis 1990 als Bereichsleiter Technik beschäftigt 1990 wurde diese Genossenschaft in die “U G e. G. - U„ umgewandelt; diese Genossenschaft wurde im Genossenschaftsregister des damaligen Kreisgerichts Cottbus unter GnR. eingetragen. In der Genossenschaft war der Kläger nach eigenen Angaben von 1990 bis 1994 als Bauleiter für den Straßenbau tätig. Am 25. März 1994 wurde der Kläger auf der Jahreshauptversammlung der Ue.G. zum Vorstandsvorsitzenden der Genossenschaft berufen.
Mit notariell beglaubigtem Beschluss vom 14. August 1996wurde die U- eG mit Wirkung zum 01. Januar 1996 in die “U AG" (im Folgenden: U AG) mit einem Grundkapital von 117.000 DM umgewandelt. Aktieninhaber am Grundkapital waren die Mitarbeiter der ehemaligen U- eG. Ausweislich der Aktionärsliste vom 1. Juli 2002 hielt der Kläger an der Aktiengesellschaft Aktien im Gesamtwert von 4500 DM bei einem Grundkapital von insgesamt 117.000 DM .
Durch Beschluss vom 14. August 1996 bestellte der Aufsichtsrat den Kläger, neben fünf weiteren Mitgliedern des Vorstandes, als Vorstandsvorsitzenden der U AG. Nach § 6 der am 14. August 1996 notariell festgestellten Satzung (Gesellschaftsvertrag) wurde die U AG nach außen durch ein Mitglied des Vorstandes vertreten, wenn ihm der Aufsichtsrat die Befugnis zur Alleinvertretung erteilt hatte, anderenfalls durch zwei Mitglieder des Vorstandes oder durch ein Mitglied des Vorstandes in Gemeinschaft mit einem Prokuristen. War nur ein Vorstandsmitglied im Amt, sollte es die Gesellschaft allein vertreten.
Der Vorstand hatte sich gemäß § 5 Abs. 2 der Satzung eine Geschäftsordnung gegeben (GO U), die u.a. folgende Bestimmungen enthielt:
§ 1: Der Vorstand leitet die “U" U- und T AG in eigener Verantwortung gemäß den Vorschriften der Gesetze, insbesondere des Aktiengesetzes, der Satzung der Aktiengesellschaft und dieser Geschäftsordnung.
§ 4 Abs. 1: Die Vorstandsmitglieder sind zur vertrauensvollen Zusammenarbeit verpflichtet. Sie tragen in ihrer Gesamtheit die Verantwortung für die Leitung der “ U" U- und AG.
§ 7 Abs. 1 Satz 1: Zu den Aufgaben des Vorstandes gehört die verantwortliche Leitung, die Organisation und Überwachung der “U" U- und AG.
§ 9 Abs. 1 Satz 1: Der Vorstand vertritt die “U" U- und T AG als Arbeitgeber gegenüber allen Mitarbeitern.
Der Kläger schloss mit der U AG am 14. August 1996 einen Anstellungsvertrag, wonach der “Anstellungsvertrag vom 01. April 1994 ... neu gefasst„ und der Kläger durch Beschluss des Aufsichtsrats vom 14. August 1996 als Vorstandsvorsitzender für die Dauer von 5 Jahren bis zum 13. August 2001 (§ 1 dieses Vertrages) berufen wurde. Wegen des Inhalts des Anstellungsvertrages vom 14. August 1996 im Einzelnen wird auf Bl. 22 bis 23 der Gerichtsakten verwiesen.
Am 06. August 2001 beschloss der Aufsichtsrat der AG die Verlängerung der Amtszeit des Vorstandes der A...