Leitsatz (amtlich)
Der auf Beherbergungsunternehmen zu Lande zugeschnittene Kriterienkatalog für eine Sterne-Klassifizierung stellt keinen geeigneten Maßstab für die Bewertung von Kreuzfahrtschiffen dar.
Verfahrensgang
Tenor
I. Die Berufung des Beklagten gegen das am 10.8.2010 verkündete Urteil des LG Berlin - 16 O 479/08 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass unter Klageabweisung auch wegen des weiter gehenden Unterlassungsanspruchs Ziff. 1. des Tenors des landgerichtlichen Urteils teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst wird:
Der Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere zu vollziehen an den Mitgliedern des Vorstands, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs die Erteilung der Klassifizierung "5 Sterne Superior" für das Kreuzfahrtschiff M.D.durch Dritte zu fördern, ohne dass die Klassifizierung auf Basis eines Klassifizierungssystems speziell für Kreuzfahrtschiffe erfolgt und/oder ohne dass die Voraussetzungen für die Vergabe der Klassifizierung "5 Sterne Superior" anhand des konkret angewendeten Klassifizierungssystems "D.H." vorliegen.
II. Von den Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz haben die Klägerin 1/10 und der Beklagte 9/10 zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Vollstreckung der Klägerin zu Ziff. I. durch Sicherheitsleistung i.H.v. 40.000 EUR und die Parteien dürfen die Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils beizutreibenden Kostenbetrages abwenden, wenn nicht die jeweils vollstreckende Gegenpartei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Die Klägerin veranstaltet Kreuzschifffahrten. Sie nimmt den Beklagten - einen Spitzenverband des deutschen Hotel- und Gastronomiegewerbes, der u.a. ein bundesweit einheitliches Klassifizierungssystem mit fünf Sternekategorien zur Hotelklassifizierung anbietet und Inhaber der geschützten Wortbildmarke "D.H." und der Wortmarke "D." ist - auf Unterlassung in Anspruch, dem Kreuzfahrtschiff "M.D." der konkurrierenden P.-D.-R.auf der Grundlage der "D.H." und/oder ohne spezifisches Klassifizierungssystem für Kreuzfahrtschiffe die Klassifizierung "...S.S." zu erteilen oder die Erteilung durch Dritte zu fördern bzw. die entsprechende Erteilung durch Landesverbände und von diesen beauftragte Unternehmen nicht zu unterbinden; zugleich verlangt sie den Widerruf der für die Zeit von 2008 bis 2011 erteilten Klassifikation und will die Ersatzpflicht des Beklagten für den aus der Erteilung entstandenen bzw. noch entstehenden Schaden festgestellt wissen.
Für alle weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird zunächst auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 ZPO).
Das LG Berlin hat dem mit dem Hauptantrag verfolgten Unterlassungsanspruch und der Feststellungsklage stattgegeben und die Klage (nur) hinsichtlich des Widerrufsantrags abgewiesen.
Zur Begründung hat das LG im Wesentlichen ausgeführt:
Ein wettbewerblicher Unterlassungsanspruch sei gegeben, weil der Beklagte als Störer eine (irreführende) geschäftliche Handlung vorgenommen habe. Er handele geschäftlich, weil er seinen Landesverbänden ein Klassifizierungssystem für Hotels zur Verfügung stelle und für dessen einheitliche Anwendung sorge, das der einzelne Hotelier unabhängig von seiner Verbandszugehörigkeit nur gegen Entgelt in Anspruch nehmen könne; die Zertifizierung erfolge deshalb am Markt zu Zwecken des Wettbewerbs. Dazu leiste der Beklagte einen Beitrag, auch wenn er nicht selbst die Zertifizierung vornehme. Die Rechtsprechung des BGH, die die Veröffentlichung von Testergebnissen durch Verbraucherverbände von wettbewerbsrechtlichen Haftungsansprüchen freistelle, sei nicht einschlägig, weil der Beklagte keine Verbraucherinteressen vertrete, sondern als Interessenverband die Belange des deutschen Hotel- und Gaststättengewerbes wahrnehme. Die daraus abzuleitende Vermutung geschäftlichen Handelns habe er nicht widerlegt; vielmehr diene die Klassifizierung erklärtermaßen dem Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Hotelbetriebe zu fördern, indem sie es dem Hotelier ermögliche, sich besser als die Konkurrenz am Markt zu platzieren. Diese Förderung fremden Wettbewerbs reiche aus, um den Anwendungsbereich des Lauterkeitsrechts zu eröffnen.
Die Auszeichnung des Kreuzfahrtschiffs M.D.mit "...S.S." sei auch irreführend, weil der Verbraucher die Klassifizierung als Ergebnis der wertenden Betrachtung von Prüfern wahrnehme, die auf einen umfangreichen Erfahrungsschatz in der Bewertung von Beherbergungsbetrieben zurückgreifen könnten und auf diesem Weg die uneingeschränkte Vergleichbarkeit der derselben Kategorie zugeordneten Häuser gewährleisteten; in dieser Er...