Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Berufung wegen Entscheidung durch den Einzelrichter einer nach dem Geschäftsplan unzuständigen Landgerichtskammer anstelle einer Katalogkammer des § 348 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ZPO
Leitsatz (amtlich)
Wenn das zuständige LG dergestalt durch eine nach dem gerichtsinternen Geschäftsverteilungsplan unzuständige Kammer entscheidet, dass unter Verkennung der Zuständigkeit eines - durch das Kollegium entscheidenden - Spruchkörpers des Katalogs des § 348 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ZPO eine andere Kammer, für die die Restriktion dieser Norm nicht gilt, durch den für sie originären Einzelrichter nach § 348 Abs. 1 Satz 1 ZPO entscheidet, kann hierauf die Berufung nicht mit Erfolg gestützt werden.
Normenkette
ZPO § 348 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, § 513 Abs. 2; GG Art. 101 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 11.12.2012; Aktenzeichen 18 O 26/12) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Berlin vom 11.12.2012 - 18 O 26/12 - wie folgt abgeändert:
Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Unterlagen i.S.v. § 147 Abs. 1 AO, die mit Hilfe eines Datenverarbeitungssystems erstellt worden sind, auf einem maschinell verwertbaren Datenträger zur Verfügung zu stellen, wobei diese Unterlagen die Geschäftsvorfälle der Klägerin im Jahr 2010 betreffen.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angegriffenen Urteil des LG Bezug genommen. Ergänzend wird ausgeführt:
Die Klägerin verlangt vom Beklagten, ihrem früheren Steuerberater, die Herausgabe von Steuerunterlagen. Das LG hat die Klage mit Urteil vom 11.12.2012 als unzulässig abgewiesen. Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren in zweiter Instanz fort.
Die Klägerin rügt:
Die Zivilkammer 18 des LG Berlin sei unzuständig gewesen. Es hätte stattdessen nach § 348 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchstabe d ZPO und dem Geschäftsverteilungsplan des LG Berlin für 2011 wie 2012 die Kammer für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen entscheiden müssen, und zwar durch das Kollegium. Auf diese "exklusive Zuständigkeit" habe sie das LG mit Schriftsatz vom 28.2.2012 hingewiesen. In deren Nichtbeachtung liege ein Verstoß gegen den gesetzlichen Richter, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, § 16 Satz 2 GVG.
Ihr Hauptantrag sei bestimmt genug. Der Antrag folge im Wortlaut § 147 Abs. 6 Satz 2 AO. Die Zulässigkeit ergebe sich auch mit Blick auf § 94 StPO. Datenträger könnten nur aufgrund ihres Inhalts als der der Pfändung unterworfene Gegenstände identifiziert werden. Der Beklagte habe gewusst, worum es gehe, sein Interesse, sich erschöpfend verteidigen zu können, sei ebenso gewahrt wie sein Interesse an Rechtsklarheit und Rechtssicherheit.
Auch ihr Hilfsantrag sei bestimmt genug. Kein Mensch wisse, welche Unterlagen im Einzelnen er seinem Steuerberater geschickt habe. Sie habe die Belege nicht näher bezeichnen müssen; sie wisse auch gar nicht, ob der Beklagte die betreffenden Belege noch habe. Die als Alternative bestehende Auskunftsklage sei lebensfremd und keine wirkliche Alternative.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 19.3.2013 (Bl. 134-138 d.A.) Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des LG Berlin vom 11.12.2012 - 18 O 26/12 - abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin Unterlagen i.S.v. § 147 Abs. 1 AO, die mit Hilfe eines Datenverarbeitungssystems erstellt worden sind, auf einem maschinell verwertbaren Datenträger zur Verfügung zu stellen, wobei diese Unterlagen die Geschäftsvorfälle der Klägerin im Jahr 2010 betreffen, hilfsweise, den Beklagten zu verurteilen, die ihm von der Klägerin zugesandten Unterlagen i.S.v. § 147 Abs. 1 AO, insbesondere gem. § 147 Abs. 1 Ziff. 4 AO, dieses Jahres 2010 an die Klägerin herauszugeben.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte verteidigt die Klageabweisung durch die von ihm als zuständig angesehen Zivilkammer 18 als unzulässig und ergänzt insoweit: Die Klägerin gehe von der irrigen Annahme aus, er werde etwaige Daten von seinem Computernetzwerk auf einen maschinell verwertbaren Datenträger überspielen und diesen im Rahmen einer Zwangsvollstreckung freiwillig zur Verfügung stellen. Falls dieses aber nicht erfolge, werde der Gerichtsvollzieher sich Zugang zum Computernetzwerk des Beklagten verschaffen und dort sorgsam nach den entsprechenden Daten suchen müssen. Dabei müsse der Gerichtsvollzieher die Daten Unbeteiligter meiden und dürfe er keinen Schaden an Hard- und Software verursachen. Hinsichtlich des Hilfsantrags hätte die Klägerin den vom LG in der mündlichen Verhandlung erteilten Hinweis aufgreifen und einen Auskunftsantrag stellen sollen.
Hinsichtlich der - trotz Klageabweisung als unzulässig erfolgten - Erörterungen des LG zur Begründetheit der Klage erklärt der Beklagte: Das LG liege hier falsch. Dem Beklagten stünde ein ...