Leitsatz (amtlich)
1. Der Verwendungszweck eines Fahrzeugs kann das Recht zur Anschaffung eines Neufahrzeugs begründen.
2. Auch ein Kfz-Händler kann als Schadensersatz den Listenpreis des Fahrzeugs ohne Abzug des Händlerrabatts verlangen, wenn ihm wegen des Unfalls der Verkauf eines Fahrzeugs entgangen ist.
3. Der Geschädigte kann dem Schädiger das beschädigte Fahrzeug zur Verfügung stellen und ist nur im Rahmen von § 254 BGB zur eigenen Verwertung verpflichtet.
Tatbestand
[a] [Hier] kommt es auf die Rechtsprechung über die Beschädigung von neuwertigen Fahrzeugen nicht an, weil es sich vorliegend um einen besonders gearteten Fall handelt. Die Kl. wollte das Fahrzeug nicht zum ständigen eigenen Gebrauch halten, sondern für eine im voraus festliegende Höchstnutzung bis 10.000 km als Vorführwagen nutzen und danach verkaufen. Die Frage, ob ein Geschädigter ein Neufahrzeug verlangen kann, kann aber nicht ohne Berücksichtigung des Verwendungszwecks entschieden werden. Dabei ist von Bedeutung, ob der Wagen zum Gebrauch des Eigentümers bestimmt war oder als Verkaufsobjekt eines Autohändlers dienen sollte (BGH, NJW 1965, 1756). Für die Entscheidung kommt es nicht darauf an, daß das Fahrzeug bei einem Kilometerstand von 6.000 verkauft werden, also von der Kl. nur noch kurze Zeit als Vorführwagen benutzt werden sollte. Entscheidend ist allein, daß nach dem vorgesehenen Gebrauchszweck das Fahrzeug der Kl. eine Zeitlang als Vorführwagen dienen und danach bei einem relativ geringen Kilometerstand als Vorführwagen veräußert werden sollte. Aus dieser Eigenschaft des Fahrzeugs folgt die Unzumutbarkeit der Durchführung der Reparatur, auch wenn die Leistungsfähigkeit und Betriebssicherheit des Fahrzeugs voll wiederhergestellt hätte werden können. Ein Vorführwagen ist in erster Linie ein Ausstellungs- und Werbeobjekt, mit dessen Hilfe der Autohändler Kunden zu gewinnen und zu überzeugen versucht, um seine Kaufverhandlungen erfolgreich abzuschließen. Als solches werbewirksames Ausstellungsstück eignet sich nur ein in jeder Hinsicht makelloser Wagen, da dem Kunden anderenfalls kein überzeugender Eindruck von der fabrikmäßigen Verarbeitung und der Qualität des Kaufgegenstandes vermittelt werden kann. Ein Vorführwagen muß mit einem fabrikneuen Fahrzeug vollkommen identisch sein und darf keine Abweichungen von derselben Produktion aufweisen. Alle diese Anforderungen kann das Unfallfahrzeug nach einer Reparatur nicht erfüllen. Auch der Handel mit Vorführwagen hat im Autohandel eine gewisse Bedeutung. Vorführwagen sind Fahrzeuge mit einer geringen Kilometerleistung, die während ihrer Nutzung als Vorführfahrzeug vorzüglich gepflegt werden. Hat ein solches Fahrzeug einen Unfall, erfüllt es diese Voraussetzungen nicht mehr und kann deshalb nicht in der beabsichtigten Weise als Vorführfahrzeug verkauft werden, sondern nur noch wie ein normales Gebrauchtfahrzeug mit einem Unfallschaden.
[b] Bei der Berechnung der Höhe des Schadens kann dem LG nicht gefolgt werden, daß hier nur der Einkaufspreis, also Listenpreis abzüglich Händlerrabatt, als Schaden geltend gemacht werden kann. Vielmehr ist der Wert zu ersetzen, den die Sache für den Geschädigten hatte. Da der Vorführwagen nach gewisser Zeit als Verkaufsobjekt dienen sollte, hatte er für die Kl. einen Wert in Höhe des Verkaufspreises, da sie im Falle des Verkaufs den Händlerrabatt nicht abgezogen hätte, sondern ihr dieser als Gewinn verblieben wäre. ...
[c] Zutreffend hat das LG ausgeführt, daß die Kl. das Unfallfahrzeug den Bekl. zur Verwertung zur Verfügung stellen durfte und nicht verpflichtet war, das Fahrzeug zu verkaufen oder sich dessen Restwert anrechnen zu lassen. Die Kl. trifft eine solche Verpflichtung aus § 254 BGB auch nicht unter dem Gesichtspunkt, daß sie mit Kraftfahrzeugen handelt. Die Kl. handelt ganz überwiegend mit Neufahrzeugen; der Gebrauchtwagenhandel macht unstreitig nur 1 % ihres Gesamtumsatzes aus.
Fundstellen
Haufe-Index 2993785 |
NJW 1972, 496 |
DRsp I(123)162a |
DAR 1972, 43 |
VRS 42, 82 |
ES Kfz-Schaden A-3/5 |