Leitsatz (amtlich)
1. Zur Antragsbefugnis und Aktivlegitimation gewerblicher Spielvermittler im einstweiligen Verfügungsverfahren wegen Wettbewerbsverstößen einer staatlichen Lotteriegesellschaft.
2. Zur Widerlegung der Dringlichkeitsvermutung des § 12 UWG im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens aufgrund zeitlicher Verzögerungen zwischen Kenntnisnahme und gerichtlicher Geltendmachung des Verstoßes.
3. So genannte 'Horoskopspielscheine', die in einem Ständer mit der Aufschrift "HOROSKOP-SPIELSCHEINE FÜR LOTTO 6AUS49" in einer Lottoannahmestelle präsentiert werden, stellen einen gezielten, irrationale Gefühle ansprechenden Anreiz zur Teilnahme am Glücksspiel dar und verstoßen deshalb gegen § 5 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 GlüStV.
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 07.11.2008; Aktenzeichen 103 O 182/08) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Verfügungsklägerin wird das Urteil des LG Berlin vom 7.11.2008 - 103 O 182/08 - zu Ziff. 2 seines Tenors teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Auf den Antrag der Verfügungsklägerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung gem. §§ 935 ff. ZPO Folgendes angeordnet:
Die Verfügungsbeklagte hat es unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR - ersatzweise Ordnungshaft - oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, wobei die Ordnungshaft zu vollstrecken ist an dem gesetzlichen Vertreter der Verfügungsbeklagten, zu unterlassen, bei geschäftlichen Handlungen im Bereich des Glücksspielwesens
für die Lotterie 6 aus 49
mit sog. "HOROSKOP-SPIELSCHEINEN FÜR LOTTO 6AUS49", die in einem Ständer mit der Aufschrift "HOROSKOP-SPIELSCHEINE FÜR LOTTO 6AUS49" präsentiert werden, wie nachstehend wiedergegeben und am 20.9.2008 geschehen:
und/oder
zu werben und/oder werben zu lassen.
2. Der weitergehende Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.
II. Von den Kosten des Verfahrens in der 1. Instanz hat die Verfügungsklägerin 3/5, die Verfügungsbeklagte 2/55 zu tragen. Die Kosten des Verfahrens in der 2. Instanz werden gegeneinander aufgehoben.
Gründe
I. Die Verfügungsklägerin (im Folgenden: Klägerin) ist eine Gesellschaft niederländischen Rechts, die seit Anfang 2008 auf dem deutschen Markt tätig ist. Sie bietet - nach eigener Behauptung selbst, nach Behauptung der Verfügungsbeklagten über die allein als gewerbliche Spielevermittlerin auftretende ... - den Erwerb von Anteilen an Gesellschaften bürgerlichen Rechts, sog. "WinFonds" an. Diese Fonds erzielen Erträge zum einen durch die Beschaffung von Bezugs- und Berechtigungsscheinen sowie verschiedenen Inhaberpapieren und zum anderen durch die Teilnahme an Ausspielungen, Lotterien, Wetten und staatlich konzessionierten Glücksspielangeboten aller Art. Bei dem Produkt "WinFonds" werden den Kunden Monat für Monat Anteile an bereits bestehenden und mit Sachvermögen aufgebauten Gesellschaften bürgerlichen Rechts im Wege der Rechtsabtretung übereignet. Die Kunden können aus der Abwicklung des Vermögensbestandes, namentlich beispielsweise der Vereinnahmung von Gewinnen aus Ausspielungen, Lotterien, Wetten, Unterhaltungs- und Gewinnspielen unter Einbeziehung der Teilnahme an staatlich konzessionierten Glückspielangeboten aller Art Erträge erzielen. Die "WinFonds" werden u.a. auf der Internetseite www.lottoteam.de beworben, wobei diese Domain für das Unternehmen ... GmbH & ... registriert ist.
Die Verfügungsbeklagte (im Folgenden: Beklagte) veranstaltet in Berlin als Anstalt öffentlichen Rechts die Lotterie "Lotto 6 aus 49" und andere Glücksspiele. Sie vertreibt ihre Produkte über 1.100 Annahmestellen in Berlin.
Die Verfügungsklägerin hat erstinstanzlich dem Inhalt nach zuletzt noch beantragt,
der Verfügungsbeklagten im Wege der einstweiligen Verfügung unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000 - ersatzweise Ordnungshaft - oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu untersagen,
a) für die Lotterie Lotto 6 aus 49
aa) mit sog. "HOROSKOP-SPIELSCHEINEN FÜR LOTTO6AUS49" und/oder
bb) ... und/oder
cc) unter Verweis auf einen in der Vergangenheit erzielten Gewinn und/oder
dd) in Sichtweite von Kinderspielplätzen und/oder zu werben und/oder werben zu lassen;
b) öffentlich abgehaltene Glücksspielveranstaltungen in Form von Marken- und Logowerbung zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, ohne dabei deutlich auf das Verbot der Teilnahme Minderjähriger und/oder auf de von dem jeweiligen Glücksspiel ausgehende Suchtgefahr und/oder Hilfsmöglichkeiten hinzuweisen.
Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird gem. § 540 Abs. 1 ZPO Bezug genommen, wobei richtig gestellt wird, dass die Klägerin ihren ursprünglich unter lit. a. bb. gestellten Antrag, der Beklagten aufzugeben, es zu unterlassen, für die Lotterie Lotto 6 aus 49 mit Werbetafeln, die den sog. LOTTO-Trainer mit dem Text "Der LOTTO-Trainer meint: Viel Glück!" abbilden, zu werben, bereits vor der erstinstanzlich durchgeführten mündlichen Verha...