Leitsatz (amtlich)
1. Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 76a Abs. 4 Satz 1 StGB vor, so steht die Entscheidung über die Einziehung im Ermessen des Gerichts, wobei jedoch im Regelfall eine Einziehung zu erfolgen hat und von ihr nur ausnahmsweise, zur Vermeidung unverhältnismäßiger Einziehungsanordnungen, abgesehen werden kann.2. § 76a Abs. 4 StGB ist mit Art. 14 Abs. 1 GG vereinbar.3. Mit dem Begriff des „Herrührens“ in § 76a Abs. 4 Satz 1 StGB knüpft der Gesetzgeber an das entsprechende Tatbestandsmerkmal der Geldwäsche an. Der Begriff ist danach weit auszulegen und von einem „Herrühren“ bereits dann auszugehen, wenn bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise ein Kausalzusammenhang zwischen „der Vortat“ und dem Gegenstand besteht; anders als bei der Geldwäsche muss „die Vortat“ jedoch nicht konkret ermittelt und festgestellt sein, sondern es genügt, dass das Gericht aufgrund erschöpfender Beweiserhebung und -würdigung die uneingeschränkte Überzeugung von der Herkunft der von der Anordnung erfassten Gegenstände aus irgendeiner Straftat gewonnen hat.4. Aufgrund der vermögens- und nicht tatbezogenen Ausrichtung des § 76a Abs. 4 StGB spielt es keine Rolle, ob die – im Einzelnen nicht bekannten ‒ Erwerbstaten in Deutschland oder im Ausland begangen wurden.5. § 76a Abs. 4 StGB erfasst über den Begriff des „Herrührens“ auch Fälle, in denen ein Gegenstand als Ergebnis von (gegebenenfalls auch mehrfachen) Umwandlungsprozessen an die Stelle des ursprünglich erlangten Gegenstands getreten ist. Der Ersatzgegenstand braucht dabei nach den zu § 261 StGB entwickelten Grundsätzen nicht wertgleich mit dem zuvor Erlangten zu sein; vielmehr ist auch hinsichtlich solcher Surrogate von einem Herrühren im Sinne des § 261 StGB auszugehen, die im Vergleich zu dem ursprünglich Erlangten einen höheren Wert aufweisen.
Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 07.04.2020; Aktenzeichen (541 KLs) 247 Js 55/19 (1/20)) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Einziehungsbeteiligten gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 7. April 2020 wird als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
I.
1. Die 41. Strafkammer bei dem Landgericht Berlin hat mit Beschluss vom 7. April 2020 die im Eigentum des Beschwerdeführers stehenden, mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücke "Gebäude und Freifläche A. 35" sowie "Gebäude und Freifläche A. 37" im Verfahren nach § 435 StPO gemäß § 76a Abs. 4 StGB eingezogen.
Der im Erwerbszeitpunkt 19 Jahre alte Beschwerdeführer hatte die Grundstücke mit notariellem Kaufvertrag vom 16. Oktober 2012 von der S GmbH für den Bruttokaufpreis von 224.280 Euro erworben; seine Eintragung im Grundbuch erfolgte am 5. Juli 2013. Der Begleichung des Kaufpreises waren auf Konten des Beschwerdeführers erfolgte Bareinzahlungen in Höhe von 12.000 Euro und 12.700 Euro sowie dort eingegangene Überweisungen vorangegangen, die durch den Zeugen H (aus der Türkei) in Höhe von 100.000 Euro, durch den Zeugen Dr. O in Höhe von zweimal 4.500 Euro, durch den Zeugen A in Höhe von 50.000 Euro und durch die Zeugin D in Höhe von 40.000 Euro veranlasst und im Fall der Zeugen A, H und Dr. O im Betreff der Überweisung beziehungsweise durch entsprechende Dokumente als Darlehen ausgewiesen worden waren.
Mit Beschlüssen des Amtsgerichts Tiergarten vom 27. Juni 2018 - (352 Gs) 255 Js 63/16 (1865/18) - wurden die vorgenannten Grundstücke in einem (unter anderem) gegen den Beschwerdeführer wegen Geldwäsche geführten Ermittlungsverfahren gemäß §§ 111b Abs. 1, 111c Abs. 3 StPO beschlagnahmt. Den Ermittlungen lag der Verdacht zugrunde, dass der Beschwerdeführer sowie zahlreiche weitere Beschuldigte aus seinem familiären Umfeld aus Katalogtaten der Geldwäsche stammende Gelder in Kenntnis ihrer illegalen Herkunft und in Umsetzung eines zuvor gefassten Tatplans in über 80 Fällen in den Erwerb von verschiedenen in B. gelegenen Immobilien beziehungsweise von Rechten an solchen Immobilien investiert und dadurch die Herkunft der inkriminierten Gelder verschleiert hätten.
Nach der mangels Nachweisbarkeit einer konkreten rechtswidrigen Vortat im Sinne des § 261 Abs. 1 Satz 2 StGB erfolgten Einstellung des gegen den Beschwerdeführer geführten Ermittlungsverfahrens hat die Staatsanwaltschaft mit Antragsschrift vom 9. Januar 2020 den Antrag gestellt, die beschlagnahmten Grundstücke im Verfahren nach § 435 StPO gemäß § 76a Abs. 4 StGB einzuziehen.
Mit Beschluss vom 7. April 2020, auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Landgericht antragsgemäß die Einziehung angeordnet, ausgehend von der Überzeugung, dass Mitglieder der Familie R durch Straftaten in erheblichem Umfang Vermögenswerte erlangt hätten, die durch den Vater des Beschwerdeführers sowie weitere Komplizen - darunter auch der Beschwerdeführer - über den Erwerb von Immobilien planmäßig und systematisch in den legalen Finanzkreislauf eingeschleust worden seien. Das Landgericht ging weiter davon aus, dass im vorliegenden Fall hint...