Leitsatz (amtlich)
1) Der Umstand, dass eine Prozessvollmacht blanko ausgestellt und später von dem Prozessbevollmächtigten weisungsgemäß mit einer auf einen bestimmten Rechtsstreit lautenden Betreffsbezeichnung ergänzt wurde, berührt die Wirksamtkeit der Prozessvollmacht für diesen Rechtsstreit nicht.
2) a) Das Formerfordernis des § 80 Satz 1 ZPO ist keine Wirksamkeitsvoraussetzung der Vollmacht selbst, sondern lediglich ein Ordnungsvorschrift betreffend den Nachweis der Vollmacht im Prozess.
b) Bei der Prüfung, ob eine Vollmacht mündlich erteilt wurde, kann sich das Gericht zumindest aller verschriftlichten Mittel des sog. Freibeweises bedienen und demgemäß auch Schriftstücke von dritten Personen, wie vorliegend die eidesstattliche Versicherung eines Steuerberaters.
3) Die Aussetzung des Verfahrens gem. § 246 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO wegen Verlustes der Prozessfähigkeit ist nicht mehr anzuordnen, wenn zuvor die Voraussetzungen über die Beendigung der Verfahrensunterbrechung gem. §§ 241 Abs. 1 a.E.; 241 Abs. 2 ZPO eingetreten sind.
4) a) Wurde die Absicht, das Verfahren gem. § 241 Abs. 1 a.E. ZPO fortsetzen zu wollen, in der mündlichen Verhandlung mündlich zu Protokoll des Gerichts angezeigt, so ist der hierin liegende Verstoß gegen die Formvorschrift des § 250 ZPO gem. § 295 ZPO geheilt, wenn der Prozessgegner den Formmangel nicht noch in demselben Verhandlungstermin rügt.
b) Die nach § 241 Abs. 2 ZPO erforderliche Zustellung der Anzeige wird in einem solchen Falle dadurch bewirkt, dass das Terminsprotokoll zugestellt wird.
5) Zur Abgrenzung zwischen Werkvertrag und Dienstvertrag im Falle eines Vertrages über die Organisation und Betreuung einer Ausstellungsveranstaltung sowie zur Mängelgewährleistung in diesem Falle.
6) a) Der Erlass gem. § 397 Abs. 1 BGB setzt einen unmissverständlichen, rechtsgeschäftlichen Willen des Gläubigers zum Verzicht auf seine Forderung voraus.
b) An die Feststellung dieses Willens sind strenge Anforderungen zu stellen. Zu den demgemäßen Schlüssigkeitsanforderungen an den Vortrag der erlassbehauptenden Partei im Einzelfall.
c) Selbst bei eindeutig erscheinender Erklärung des Gläubigers darf ein Verzicht nicht angenommen werden, ohne dass bei der Feststellung des Verzichtswillen sämtliche Begleitumstände berücksichtigt worden sind. Unzureichend substanziert ist daher die Behauptung eines Erlasses, wenn die behauptende Partei auf das Bestreiten des Prozessgegners hin nicht vorträgt, wann bzw. bei welcher Gelegenheit die behauptete Erlasserklärung getätigt worden sein soll und was ihr gesprächsweiser Kontext war.
d) Gemäß § 139 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 ZPO ist nicht zu verlangen, dass ein Gericht auf rechtlich Offenkundiges hinweist.
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 12.12.2005; Aktenzeichen 4 O 448/05) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das am 12.12.2005 verkündete Urteil der Zivilkammer 4 des LG Berlin - 4 O 448/05 - wie folgt abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 20.000 EUR nebst Jahreszinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.4.2005 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits - beider Rechtszüge - tragen zu 30 % der Kläger und zu 70 % die Beklagte.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien wird nachgelassen, die gegen sie gerichtete Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des bei ihnen beitreibbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht vor der Vollstreckung die vollstreckende Partei Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.
Gründe
I. Der Kläger nimmt die Beklagte, eine Kommanditgesellschaft österreichischen Rechts mit Sitz in Wien, aus abgetretenem Recht auf Zahlung einer zweiten Honorarrate für die Betreuung der Ausstellung "Unsolved Mysteries - Die Welt des Unerklärlichen" im Jahre 2005 in Berlin in Anspruch und begehrt Ersatz von Aufwendungen, die dem Zedenten im Zusammenhang mit der Veranstaltung entstanden sein sollen. Hinsichtlich des geltend gemachten Honorars streiten die Parteien u.a. über die Mangelfreiheit der von dem Zedenten erbrachten Leistungen, wobei die Beklagte meint, sie habe mit dem Zedenten einen Werkvertrag vereinbart. Zudem behauptet die Beklagte, der Kläger habe auf seinen Honoraranspruch verzichtet. Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivortrages wird auf den Tatbestand der angegriffenen Entscheidung verwiesen.
Das LG hat mit Urteil vom 12.12.2005, der Beklagten zugestellt am 6.1.2006, der Klage vollumfänglich stattgegeben. Hiergegen richtet sich die am 6.2.2006 bei Gericht eingegangene Berufung der Beklagten.
In zweiter Instanz haben die Parteien ihr erstinstanzliches Vorbringen im Wesentlichen wiederholt und rechtlich vertieft; die vom LG bejahte internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte hat die Beklagte nicht mehr bestritten. Zudem hat die Beklagte ihren Vortrag zu dem behaupteten Verzicht, den das LG in seinem Urteil als unsubstantiiert angesehen hatte, ergänzt und präzisiert. Ferner hat sich herausgestel...