Zum Mehrbedarf und Sonderbedarf zählen Kosten, die durch die üblichen Unterhaltssätze der Düsseldorfer Tabelle nicht mehr gedeckt sind. Sie können zusätzlich zum Tabellenunterhalt anfallen und diesen ergänzen. Die Unterscheidung zwischen Sonder- und Mehrbedarf ist insbesondere im Hinblick auf verfahrensrechtliche Besonderheiten von Relevanz. Sonderbedarf kann im Gegensatz zum Mehrbedarf gemäß § 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB ohne Verzug rückwirkend für ein Jahr geltend gemacht werden. Der Mehrbedarf kann hingegen nur unter den Voraussetzungen des § 1613 Abs. 1 BGB geltend gemacht werden, also nur bei Verzug oder nach Aufforderung zur Auskunft. Mehrbedarf wird überwiegend als ein unselbstständiger Teil des Unterhaltes angesehen mit der Folge, dass er nur zusammen mit dem Regelunterhalt geltend gemacht werden kann.
Bei beiden Formen des außergewöhnlichen Bedarfes – unabhängig von seiner Qualifizierung als Mehrbedarf oder Sonderbedarf – ist immer zu überprüfen, ob ein Teil der anfallenden Kosten bereits aus dem regelmäßigen Unterhalt zu decken ist und ob der Zusatzbedarf notwendig und angemessen ist.
4.1.4.1 Einzelheiten zum Sonderbedarf
Nach der Legaldefinition des § 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB liegt Sonderbedarf bei einem unregelmäßigen und außergewöhnlich hohen Bedarf vor. Sonderbedarf als unregelmäßiger außergewöhnlich hoher Bedarf liegt nur dann vor, wenn der Bedarf nicht mit Wahrscheinlichkeit vorauszusehen war und deshalb bei der Bemessung der laufenden Unterhaltsrente nicht berücksichtigt werden konnte. Wann ein in diesem Sinne unregelmäßiger Bedarf zugleich außergewöhnlich hoch ist, lässt sich nicht nach allgemein gültigen Maßstäben festlegen. Vielmehr kommt es insoweit auf die Umstände des Einzelfalles an, insbesondere auf die Höhe der laufenden Unterhaltsrente und die sonstigen Einkünfte des Berechtigten, auf den Lebenszuschnitt der Beteiligten sowie auf den Anlass und den Umfang der besonderen Aufwendungen. Letztlich richtet sich die Frage, ob ein Bedarf außergewöhnlich hoch ist, danach, ob und inwieweit dem Berechtigten, wenn der Verpflichtete an sich leistungsfähig ist, bei einer Gesamtbetrachtung zugemutet werden kann, den Bedarf selbst zu bestreiten.
Als Sonderbedarf kommen u. a. in Betracht:
- der Privatkostenanteil für eine kieferorthopädische Behandlung,
- Verfahrenskostenvorschuss für erfolgsversprechende Rechtsstreitigkeiten in persönlichen Angelegenheiten des Kindes,
- Erstausstattung eines Säuglings,
- Ärztliche Behandlungskosten größeren Umfangs.
In der Regel nicht als Sonderbedarf zu qualifizieren sind:
- Kosten einer Klassenfahrt,
- Aufwendungen für Nachhilfeunterricht,
- Kosten für eine Konfirmation oder Kommunion,
- Kosten für die Erlangung einer Fahrerlaubnis.
4.1.4.2 Einzelheiten zum Mehrbedarf
Als Mehrbedarf wird der Teil des Lebensbedarfs angesehen, der regelmäßig während eines längeren Zeitraums anfällt und das Übliche derart übersteigt, dass er mit den Regelsätzen der Bedarfsbemessung nicht zu erfassen, andererseits aber kalkulierbar ist und deshalb bei der Bemessung des laufenden Unterhalts berücksichtigt werden kann.
Als Mehrbedarf kommen u. a. in Betracht:
- Schulgeld für eine Privatschule,
- Nachhilfeunterricht,
- krankheitsbedingte Mehrkosten (z. B. durch Behinderung),
- die für den Kindergartenbesuch anfallenden Kosten.
In der Regel nicht als Mehrbedarf zu qualifizieren sind:
- Kosten für den Besuch eines sog. "pädagogischen Mittagstisches",
- Betreuungskosten durch Dritte, die allein infolge der Berufstätigkeit des betreuenden Elternteils erforderlich sind (z. B. Kosten einer Tagesmutter).
Kosten für die Betreuung eines Kindes durch Dritte, die allein infolge der Berufstätigkeit des betreuenden Elternteils erforderlich sind, stellen keinen Mehrbedarf des Kindes dar, sondern gehören zur allgemeinen Betreuung, die vom betreuenden Elternteil im Gegenzug zur Barunterhaltspflicht des anderen allein zu leisten ist. Dafür entstehende Betreuungskosten können mithin lediglich als berufsbedingte Aufwendungen des betreuenden Elternteils Berücksichtigung finden.