Anspruchsgrundlage und damit auch die Anspruchsvoraussetzungen sind beim Minderjährigen- und Volljährigenunterhalt grds. gleich. Das volljährige Kind ist jedoch unterhaltsrechtlich nicht in gleicher Weise privilegiert, wie das minderjährige Kind. Durch den Wechsel zur Volljährigkeit erwachsen wichtige unterhaltsrechtliche Konsequenzen.
5.1.1 Wichtige Unterschiede zwischen Volljährigen- und Minderjährigenunterhalt
In der Praxis ist beim Übergang zur Volljährigkeit im Rahmen des Kindesunterhaltes insbesondere folgendes von Relevanz:
5.1.1.1 Barunterhaltspflicht beider Elternteile
Mit dem Eintritt der Volljährigkeit endet die elterliche Sorge im Rechtssinne und – als Teil hiervon – die Pflicht zur Pflege und Erziehung des Kindes im Rahmen der Personensorge (§§ 1626, 1631 BGB). Damit entfällt nach dem Gesetz die Grundlage für eine Gleichbewertung von Betreuungs- und Barunterhalt ohne Rücksicht darauf, ob im Einzelfall etwa ein volljähriger Schüler weiter im Haushalt eines Elternteils lebt und von diesem noch gewisse Betreuungsleistungen erhält. Vom Eintritt der Volljährigkeit an besteht nach dem Gesetz kein rechtfertigender Grund mehr, weiterhin nur den bisher allein barunterhaltspflichtigen Elternteil mit dem nunmehr insgesamt in Form einer Geldrente zu entrichtenden Unterhalt zu belasten, wenn auch der andere Elternteil über Einkünfte verfügt, die ihm die Zahlung von Unterhalt ermöglichen. Für den Unterhalt des volljährigen Kindes haften daher beide Elternteile anteilig nach dem Verhältnis ihrer unterhaltsrechtlich bereinigten Einkünfte, die um den angemessenen Selbstbehalt reduziert werden.
5.1.1.2 Anrechnung des vollen Kindergeldes
Das Kindergeld ist gemäß § 1612b Abs. 1 Nr. 2 BGB bei volljährigen Kindern in voller Höhe auf den Bedarf anzurechnen.
5.1.1.3 Volle Erwerbsverpflichtung des volljährigen Kindes
Das minderjährige Kind trifft grundsätzlich keine Erwerbsobliegenheit. Dem gegenüber hat das volljährige Kind seinen Lebensbedarf grds. durch eigene Einkünfte sicherzustellen. Einkünfte des volljährigen Kindes werden unterhaltsrechtlich bereinigt in voller Höhe auf den Unterhaltsbedarf angerechnet. Volljährige Kinder haben daher regelmäßig nur noch dann einen Unterhaltsanspruch, wenn sie
- noch die Schule besuchen,
- sich in einer Ausbildung bzw. Lehre befinden oder
- krankheitsbedingt (teilweise) nicht erwerbsfähig sind.
5.1.1.4 Entfall der gesteigerten Unterhaltsverpflichtung
Mit Eintritt der Volljährigkeit des Kindes entfällt für den Unterhaltspflichtigen grds. die gesteigerte Unterhaltsverpflichtung, die gegenüber minderjährigen Kindern gilt. Damit einhergehend gilt gegenüber volljährigen Kindern grds. der erhöhte angemessene Selbstbehalt von derzeit 1.650 EUR.
5.1.1.5 Änderungen bei der Darlegungs- und Beweislast
Das volljährige Kind hat im Unterhaltsverfahren gegen einen Elternteil die Darlegungs- und Beweislast für seinen Bedarf und die Haftungsanteile der Eltern. Zum schlüssigen Vortrag eines Anspruchs des Volljährigen auf Zahlung von Kindesunterhalt gehört daher die Darlegung des Haftungsanteils des in Anspruch genommenen Elternteils und damit die Erwerbs- und Vermögensverhältnisse beider Eltern.
Begehrt der früher allein barunterhaltspflichtige Elternteil nach Eintritt der Volljährigkeit des Kindes unter Hinweis auf die nunmehrige Mithaftung des früheren Betreuungselternteils Herabsetzung des zur Zeit der Minderjährigkeit titulierten Kindesunterhalts, muss grundsätzlich das volljährig gewordene Kind die gemäß § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB auf seine Eltern entfallenden jeweiligen Haftungsanteile im Abänderungsverfahren darlegen und beweisen.
5.1.2 Das privilegierte volljährige Kind
Zu beachten ist jedoch, dass gemäß § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB volljährige Kinder unterhaltsrechtlich wie minderjährige Kinder behandelt werden, wenn sie
- unverheiratet sind,
- das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben,
- im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben und
- sich in der allgemeinen Schulausbildung befinden.
Es handelt sich dann um sogenannte privilegierte volljährige Kinder. Probleme bereitet in der Praxis manchmal die Frage, ob eine "allgemeine Schulausbildung" gegeben ist. Der BGH hat hierzu folgende Kriterien entwickelt:
Zitat
Der Begriff der allgemeinen Schulausbildung ist im Interesse einer einheitlichen Rechtsanwendung unter Heranziehung der zu § 2 Abs. 1 Nr. 1 BAföG entwickelten Grundsätze auszulegen. Danach hat eine Eingrenzung des Begriffs in drei Richtungen zu erfolgen: nach dem Ausbildungsziel, der zeitlichen Beanspruchung des Schülers und nach der Organisationsstruktur der Schule (Senatsurteil vom 10. Mai 2001 – XII ZR 108/99 – FamRZ 2001, 1068, 1069 f.). Ziel des Schulbesuchs muß der Erwerb eines allgemeinen Schulabschlusses als Zugangsvoraussetzung für die Aufnahme einer Berufsausbildung oder den Besuch einer Hochschule oder Fachhochschule sein, also jedenfalls der Hauptschulabschluß, der Realschulabschluß, die fachgebundene oder die allgemeine Hochschulreife. Diese Voraussetzung ist beim Besuch de...