Leitsatz

Geschiedene Eltern übten die elterliche Sorge für ihre minderjährigen Kinder gemeinsam aus. Sie betreuten die im Jahre 1991 geborenen Zwillinge abwechselnd. Die Ehefrau nahm den geschiedenen Ehemann auf Zahlung von Kindesunterhalt in Anspruch. Es stellte sich die Frage, ob sie hierzu im Hinblick auf die wechselnde Betreuung der Kinder überhaupt berechtigt war.

 

Sachverhalt

Der Beklagte und die Mutter der Klägerinnen waren miteinander verheiratet. Die Ehe wurde durch Urteil vom 16.1.2003 geschieden. Die Klägerinnen waren am 1.8.1991 geboren worden. Aus der Ehe war noch eine weitere im Jahre 1986 geborene Tochter hervorgegangen.

Die elterliche Sorge für die beiden minderjährigen Kinder stand den Eltern gemeinsam zu. Die älteste Tochter hielt sich überwiegend bei dem Beklagten auf, während die beiden minderjährigen Kinder sich überwiegend - über einen Zeitraum von 14 Tagen betrachtet - im Durchschnitt an 9 Tagen bei der Mutter aufhielten. Die Schulferien verbrachten sie jeweils hälftig bei einem Elternteil.

Die Mutter war als Sonderschulfachlehrerin zu 70 % teilzeitbeschäftigt und erzielte ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von 2.000,00 EUR. Der Vater arbeitete halbschichtig in einer Einrichtung der Lebenshilfe und verdiente 1.045,00 EUR monatlich netto. Außerdem wohnte er mietfrei in einem eigenen Haus.

Die Klägerinnen haben ihn für die Zeit ab 1.8.2003 auf Zahlung von Unterhalt i.H.v. 100 % der jeweiligen Regelbeträge nach § 1 der RegelbetragVO abzüglich des hälftigen Kindergeldes in Anspruch genommen und ferner Unterhaltsrückstand für die Zeit von Oktober 2002 bis Juli 2003 von ihm verlangt.

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt unter Hinweis auf das praktizierte Wechselmodell sowie unter Hinweis auf die Betreuung der ältesten Tochter K.

Das erstinstanzliche Gericht hat den Beklagten verurteilt, an die Klägerinnen ab August 2003 monatlich jeweils 50 % des jeweiligen Regelbetrages nach § 1 der RegelbetragVO in der 3. Altersstufe ohne Anrechnung des anteiligen Kindergeldes sowie einen Unterhaltsrückstand von jeweils 1.146,00 EUR zu zahlen. Die Berufung des Beklagten blieb erfolglos. Mit der - zugelassenen - Revision verfolgte er seinen Klageabweisungsantrag weiter.

Die Revision hatte keinen Erfolg.

 

Entscheidung

Der BGH vertrat die Auffassung, die Klägerinnen könnten Kindesunterhalt von ihrem Vater verlangen.

Sie würden unstreitig an 5 von 14 Tagen, somit zu ca. 36 %, von ihrem Vater betreut. Da die Betreuung demzufolge zu etwa 64 % bei der Mutter liege, befänden sich die Klägerinnen in ihrer Obhut, da das Schwergewicht der tatsächlichen Betreuung bei ihr liege. Deshalb sei die Mutter berechtigt, die Klägerinnen im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits gesetzlich zu vertreten.

Sie habe die Obhut inne und erfülle ihre Unterhaltspflicht in der Regel durch die Kindesbetreuung. Der Barunterhaltsbedarf der Kinder bemesse sich nur nach dem Einkommen des Elternteils mit dem geringeren Betreuungsanteil. Leiste dieser dem Kind Naturalunterhalt, so könne dieser auf den Barunterhaltsanspruch anzurechnen sein. Der BGH hat dies indessen für Wohnungsgewährung und hier auch für Verpflegung verneint. In den Tabellensätzen seien allenfalls die bei einem Elternteil anfallenden Wohnkosten enthalten. Den Verpflegungsanteil hielt der BGH ebenfalls für irrelevant, jedenfalls solange der Aufenthalt des Kindes bei dem betreffenden Elternteil über den zeitlichen Rahmen üblicher Umgangskontakte nur maßvoll hinausgehe. Der BGH folgte mit dieser Entscheidung seiner bereits in dem Urteil vom 21.12.2005 vertretenen Auffassung (BGH v. 21.12.2005 - XII ZR 126/03 - in FamRZ 2006, 1030 = FamRZ 2006, 1015 = FamRB 2006, 232).

 

Hinweis

Praktizieren gemeinsam sorgeberechtigte Eltern das sog. Wechselmodell, bedarf es für die Geltendmachung von Kindesunterhalt einer Pflegerbestellung oder eines Antrages nach § 1628 BGB. Der Bedarf des Kindes orientiert sich in einem solchen Fall an den addierten Einkünften beider Eltern, die anteilig nach ihren wirtschaftlichen Verhältnissen haften.

Liegt kein eindeutiges Wechselmodell mit der Maßgabe annähernd gleich langer Betreuung der Kinder vor, ist zunächst zu prüfen, wie sich die Betreuungsanteile der Eltern zueinander verhalten.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil vom 28.02.2007, XII ZR 161/04

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