Leitsatz
Wohnen die Eltern in unterschiedlichen Städten, fallen bei der Ausübung des Umgangsrechts häufig Kosten an. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob der Umgangsberechtigte diese Kosten alleine tragen muss oder ob sie bei der Berechnung des Kindesunterhalts in Abzug gebracht werden können. Eben diese Auffassung hat das Thüringer OLG in seiner Entscheidung vertreten.
Sachverhalt
Getrennt lebende Eltern stritten um Kindesunterhalt für ihre vier minderjährigen Kinder, die in dem Haushalt ihrer Mutter lebten. Die Kindesmutter hatte die Klage als gesetzliche Vertreterin der Kinder kurz vor der Ehescheidung eingereicht und mit der Klage den Mindestunterhalt der jeweiligen Altersstufe nach § 1612a Abs. 1 BGB abzüglich der Hälfte des jeweiligen gesetzlichen Kindergeldes verlangt. Später änderte sie das Rubrum dahingehend, dass Kläger fortan die Kinder, gesetzlich vertreten durch sie, waren.
Der Beklagte war Geselle des Kfz-Handwerks und hatte im Anschluss an seine Zeit bei der Bundeswehr eine Ausbildung bei einer Versicherung zum Versicherungskaufmann absolviert. Von März bis Dezember 2003 begann er eine Weiterbildung zum Immobilienfachberater. Seit Oktober 2006 war er als Versicherungsmakler tätig.
Im Rahmen der Berechnung des Kindesunterhalts machte der Beklagte Umgangskosten i.H.v. 400,00 EUR monatlich geltend. Der Betrag setzte sich zusammen aus Kosten für Hotelübernachtungen, Kosten für die Hin- und Rückfahrt an den Wohnort der Kinder und die Verpflegung für die Kinder während der Zeit der Ausübung des Umgangsrechts mit ihnen.
Das erstinstanzliche Gericht hat insoweit 200,00 EUR anerkannt. Durch den Umzug der Kinder in einen 360 km entfernt liegenden Ort sei die Kostenbelastung dem umgangsberechtigten Beklagten nicht zumutbar. Sein Einkommen sei um die Kosten der Ausübung des Umgangsrechts i.H.v. 200,00 EUR zu ermäßigen.
Die Kläger beabsichtigten, das erstinstanzliche Urteil mit der Berufung anzugreifen und ersuchten hierfür um Prozesskostenhilfe, die ihnen nur partiell gewährt wurde.
Entscheidung
Das OLG nahm in seiner Entscheidung Bezug auf die neuere Rechtsprechung des BGH (BGH, Urt. v. 23.2.2005 - XII ZR 56/02 - FamRZ 2005, 706), nach der die mit der Ausübung des Umgangsrechts verbundenen Kosten unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen seien, wenn und soweit sie nicht anderweitig, insbesondere nicht aus dem anteiligen Kindergeld, bestritten werden könnten. Dies folge daraus, dass das Unterhaltsrecht dem Unterhaltspflichtigen nicht die Möglichkeit nehmen dürfe, sein Umgangsrecht zur Erhaltung der Eltern-Kind-Beziehung auszuüben.
Im vorliegenden Fall ständen dem Beklagten außer seinem Einkommen keine Mittel zur Verfügung, aus denen er die Kosten des Umgangsrechts bestreiten könne. Er müsse bei seinen monatlichen Besuchskontakten, wie von ihm im Einzelnen dargelegt, jeweils 340 km einfache Entfernung mit dem Pkw fahren, nachdem die Kindesmutter zusammen mit den Kindern vom vormaligen Wohnort der Familie weggezogen sei. Eine Einschränkung der Besuchskontakte sei dem Beklagten angesichts der Bedeutung des unter dem Schutz des Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG stehenden Rechts auf Umgang nicht zumutbar, sie würde auch dem Wohl der Kinder zuwiderlaufen (OLG Bremen, Beschl. v. 23.10.2007 - 4 WF 155/07; Quelle: www.juris.de). Zwar müsse der Umgangsberechtigte alle Möglichkeiten nutzen, um die Kosten des Umgangs so gering wie möglich zu halten. Er sei ggf. auf die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel zu verweisen. Die Kosten der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel beliefen sich mit Bahn-Card auf 100,00 EUR pro Hin- und Rückfahrt. Zuzüglich zweier Hotelübernachtungen (2 × 50,00 EUR = 100,00 EUR) ergäben dann einen Betrag i.H.v. 200,00 EUR. Allerdings könne man den Beklagten nicht ohne weiteres auf die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel verweisen, da er das Fahrzeug vor Ort benötige, um mit den Kindern etwas zu unternehmen.
Im Ergebnis war die Berechnung des AG, 200,00 EUR monatlich bei der Unterhaltsberechnung in Abzug zu bringen, nach Auffassung des OLG nicht zu beanstanden.
Link zur Entscheidung
Thüringer OLG, Beschluss vom 25.05.2010, 1 UF 19/10