Leitsatz
Ein minderjähriges Kind - gesetzlich vertreten durch den Vater - hielt sich seit August 2007 in den USA auf und nahm seine Mutter auf Zahlung von Kindesunterhalt in Anspruch. Bei Klageeinreichung lebte das Kind nicht in dem Haushalt seines Vaters, der als gesetzlicher Vertreter auftrat. Gleichwohl hielt das erstinstanzliche Gericht die Klage für zulässig und gewährte der Mutter nicht die von ihr beantragte Prozesskostenhilfe für die von ihr beabsichtigte Rechtsverteidigung gegen die Klage.
Die von ihr eingelegte sofortige Beschwerde gegen den PKH-Beschluss führte zur Zurückverweisung der Sache an das AG.
Sachverhalt
Siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Das OLG vertrat die Auffassung, der Beklagten könne Prozesskostenhilfe nicht aus den von dem AG angeführten Gründen versagt werden.
Das AG habe die Klage für zulässig gehalten, obgleich der minderjährige Kläger sich bei Klageeinreichung im Ausland aufgehalten und somit nicht mehr bei seinem Vater - seinem gesetzlichen Vertreter - gelebt habe. Diese Frage dürfe im Prozesskostenhilfeverfahren aber nicht zu Lasten der um Prozesskostenhilfe nachsuchenden Partei, hier der Beklagten, beantwortet werden.
Nach § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB könne bei gemeinsamer elterlicher Sorge der geschiedene Elternteil, in dessen Obhut sich das Kind befinde, dieses bei der Geltendmachung seiner Unterhaltsansprüche gesetzlich vertreten. Der Begriff der Obhut stelle auf die tatsächlichen Betreuungsverhältnisse ab. Ein Kind befinde sich in der Obhut desjenigen Elternteils, bei dem der Schwerpunkt der tatsächlichen Fürsorge und Betreuung liege, der sich also vorrangig um die Befriedigung der elementaren Bedürfnisse des Kindes kümmere. Obhut sei allerdings nicht beschränkt auf eine von dem betreffenden Elternteil selbst unmittelbar geleistete Betreuung, sondern erstrecke sich auch auf eine Drittbetreuung, um die sich der Elternteil organisierend und überwachend kümmere (BGH FamRZ 2006, 1015).
Bei einer Drittbetreuung werde allerdings für erforderlich gehalten, dass von einer Obhut i.S.d. § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB nur dann gesprochen werden könne, wenn der Elternteil seine Betreuungsobliegenheiten durch regelmäßige Kontakte mit dem Kind und der Betreuungsperson nachkomme.
Vor diesem Hintergrund lasse sich angesichts des Aufenthalts des Klägers in den USA seit August 2007 nicht ohne weiteres feststellen, dass eine Obhut des Vaters noch gegeben sei, da regelmäßige Kontakte zwischen dem Kläger und dem Vater während des Auslandsaufenthalts nicht stattgefunden haben dürften. Dies spreche grundsätzlich dafür, diese schwierige Frage im Prozesskostenhilfeverfahren nicht zu Lasten der Beklagten zu entscheiden.
Allerdings werde das AG zu überprüfen haben, ob der Kläger inzwischen aus den USA zurückgekehrt sei und seiner schriftsätzlich geäußerten Erwartung entsprechend wieder in der Wohnung seines Vaters lebe. Für diesen Fall sei die Zulässigkeit der Klage nun ohne weiteres zu bejahen.
Im Übrigen rügte das OLG, dass das AG sich in dem angefochtenen Beschluss nicht mit der Frage der Begründetheit der Klage auseinandergesetzt hatte. Es sei nicht ausgeschlossen, dass die - zulässige - Klage in der Sache keinen Erfolg biete, wenn der Einwand der Beklagten zu ihrer fehlenden Leistungsfähigkeit zutreffe.
Im Übrigen sei im Prozesskostenhilfeverfahren davon auszugehen, dass die Beklagte eine zusätzliche Altersvorsorge i.H.v. 4 % des Bruttoeinkommens betreiben dürfe. Die abschließend nicht geklärte Rechtsfrage, ob sie verpflichtet sei, den Vertrag hinsichtlich der zusätzlichen Altersvorsorge vorübergehend ruhend zu stellen, dürfe im Prozesskostenhilfeverfahren ebenfalls nicht zu Lasten der Beklagten entschieden werden.
Link zur Entscheidung
Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 06.11.2008, 10 WF 107/08