Leitsatz
Das OLG München hatte sich in dieser Entscheidung mit der Leistungsfähigkeit eines Strafgefangenen zur Leistung von Kindesunterhalt an ein minderjähriges Kind auseinanderzusetzen.
Sachverhalt
Ein minderjähriges Kind nahm seinen Vater auf Zahlung von Kindesunterhalt in Anspruch. Das FamG wies die Klage mit Endurteil vom 26. September 2008 ab und begründete die Klageabweisung mit der fehlenden Leistungsfähigkeit des Beklagten, der inhaftiert war. Infolge seiner Inhaftierung sei er unterhaltsrechtlich nicht vorwerfbar außerstande, Kindesunterhalt zu leisten.
Hiergegen wandte sich der Kläger mit seiner Berufung.
Das Rechtsmittel war teilweise erfolgreich und führte zur Ausurteilung eines Unterhaltsrückstandes i.H.v. 1.811,93 EUR für die Zeit vom 6.12.2007 bis zum 31.12.2008 sowie zur Zahlung laufenden Unterhalts ab 1.1.2009 i.H.v. 144,00 EUR.
Entscheidung
Das OLG folgte der Auffassung des Klägers, wonach der Beklagte sein Einkommen als Strafgefangener zur Unterhaltsbemessung heranzuziehen habe. Für den Unterhalt stehe jedoch nur das Einkommen zur Verfügung, welches über dem zu beachtenden Selbstbehalt eines Strafgefangenen liege oder durch eine unterhaltsrechtlich verbindliche konkrete Zweckbestimmung der Einbeziehung in die Unterhaltsbemessung nicht entzogen sei (Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 10. Aufl., Rz. 842).
Nach der vom Senat eingeholten Auskunft der Justizvollzugsanstalt habe der Beklagte in der Zeit vom 6.12.2007 bis zum 31.12.2008 ein Eigengeld i.H.v. 1.811,93 EUR bezogen. Im Jahre 2008 habe er ein durchschnittliches monatliches Eigengeld i.H.v. 144,00 EUR erzielt. Insoweit sei der Beklagte auch ausreichend leistungsfähig, um Kindesunterhalt für den minderjährigen Kläger zu zahlen.
Über dieses Eigengeld könne der Beklagte verfügen und es für den Kindesunterhalt einsetzen. Der Einsatz dieses vom Beklagten erzielten Eigengeldes wahre seinen notwendigen Selbstbehalt, denn das für den Kindesunterhalt verwendbare Eigengeld erhalte der Beklagte neben dem in dieser Zeit erzielten Hausgeld i.H.v. 3/7 seines Arbeitsverdienstes. Dieses durch Arbeit erzielte Hausgeld sei dem Beklagten zum Zwecke des Einkaufs von Nahrungs- und Genussmitteln usw. zu belassen. Es übersteige auch unter Berücksichtigung der freien Unterkunft, Verpflegung, Bekleidung und Gesundheitsfürsorge nicht den Mindestbedarf der notwendigen Ausgaben und sei dem Beklagten unter Berücksichtigung des Resozialisierungsgedankens auch bei gesteigerter Unterhaltsverpflichtung nach § 1603 Abs. 2 S. 1 BGB zu belassen (Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrechtlichen Praxis, 7. Aufl., § 1 Rz. 485 m.w.N.).
Entgegen der Auffassung des Klägers könne dem Beklagten jedoch kein fiktives Einkommen wegen Verletzung seiner Erwerbsobliegenheit zugerechnet werden. Ein unterhaltspflichtiger Strafgefangener könne sich regelmäßig auf seine durch die Haft bedingte Leistungsunfähigkeit berufen (Wendl/Dose, a.a.O., Rz. 485a; Kalthoener/Büttner/Niepmann, a.a.O., Rz. 762 je m.w.N.). Dies sei dem Beklagten nach Treu und Glauben ausnahmsweise dann verwehrt, wenn die Strafhaft auf einem Fehlverhalten beruhe, dass sich gerade auf die Unterhaltspflicht des Beklagten ggü. dem Kläger beziehe (BGH FamRZ 2002, 813; OLG Koblenz FamRZ 2004, 1313).
Solch ein objektiver Unterhaltsbezug der vom Beklagten verübten Straftat fehle, da er eine Haftstrafe wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz verbüße.
Link zur Entscheidung
OLG München, Urteil vom 16.06.2009, 4 UF 350/08