Leitsatz
Das OLG Bremen befasst sich mit der Frage, wann einem ggü. minderjährigen Kindern Unterhaltspflichtigen fiktives Einkommen zugerechnet werden kann und ob die anfallenden Umgangskosten unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen sind.
Der Beklagte wurde von seinen minderjährigen Kindern auf Zahlung von Unterhalt in Anspruch genommen. Sein Antrag auf Bewilligung von PKH für die von ihm beabsichtigte Rechtsverteidigung wurde von dem erstinstanzlichen Gericht zurückgewiesen. Der hiergegen eingelegten Beschwerde wurde vom FamG nicht abgeholfen. Beim OLG hatte das Rechtsmittel in der Sache Erfolg.
Sachverhalt
Siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Das OLG gewährte dem Beklagten Prozesskostenhilfe, soweit er sich gegen den geltend gemachten Kindesunterhalt für die Zeit ab 1.1.2009 und für die Zeit bis einschließlich Dezember 2008 gegen einen 37,00 EUR pro Monat und Kind übersteigenden Unterhalt verteidigte.
Das FamG habe das fiktive Einkommen, das der Beklagte in zumutbarer Weise erwirtschaften könnte, zu hoch angesetzt. Zum anderen habe es nicht die gesamten Kosten des Beklagten berücksichtigt, die ihm infolge des Umgangs mit seinen Kindern entständen. Ferner hätten auch fiktive Fahrtkosten berücksichtigt werden müssen.
Dem Grunde nach zu Recht habe das erstinstanzliche Gericht dem Beklagten ein fiktives Einkommen zugerechnet. Dies werde mit der sofortigen Beschwerde auch nicht angegriffen. Das von dem erstinstanzlichen Gericht insoweit angesetzte Einkommen sei indessen überhöht. Hierbei habe es vor allem verkannt, dass Einkünfte, die neben einer vollen Beschäftigung erzielt würden, zu versteuern seien und hierfür auch Sozialabgaben entrichtet werden müssten (BVerfG, FamRZ 2008, 1403, 1404). Das OLG ging davon aus, dass der im Jahre 1980 geborene Beklagte bei gehörigen Bemühungen eine Beschäftigung finden könnte, bei der er 8,00 EUR brutto stündlich erzielen könnte. Dabei sei zu berücksichtigen, dass er über keinen in Deutschland anerkannten Berufsabschluss verfüge und der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig sei.
Vom Umfang der Erwerbsverpflichtung her hielt das OLG im vorliegenden Fall eine Tätigkeit von insgesamt 45 Stunden pro Woche für zumutbar.
In Rechtsprechung und Literatur werde die Frage, wie viele Wochenstunden ein seinen minderjährigen Kindern ggü. zum Unterhalt Verpflichteter zu arbeiten habe, uneinheitlich bewertet. Streitig sei, ob der Unterhaltsverpflichtete gehalten sei, neben einer vollen Stelle, also in der Regel einer 40-Stunden-Woche eine Nebenbeschäftigung anzunehmen. Insoweit habe das BVerfG darauf hingewiesen, dass an den Unterhaltsschuldner keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden dürften (BVerfG FamRZ 2003, 661).
Ob die Aufnahme einer Nebentätigkeit zumutbar und für den Unterhaltsschuldner verpflichtend sei, hänge jeweils von den Umständen des Einzelfalls ab, die wiederum nur anhand eines konkreten Vortrages festgestellt werden könnten. Blieben Zweifel, gehe dies zu Lasten des Unterhaltsschuldners, der für seine Leistungsunfähigkeit darlegungs- und beweisbelastet sei. Vorliegend habe der Beklagte keine konkreten Einwendungen gemacht, die eine Beschäftigung von 45 Stunden in der Woche als unzumutbar erscheinen ließen. Der Umstand, dass er seine Kinder alle drei Wochen an einem Tag am Wochenende besuche, stehe einer Nebenbeschäftigung bzw. einer 45-Stunden-Woche nicht entgegen.
Entgegen der Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts seien die von dem Beklagten unstreitig vorgetragenen Umgangskosten insgesamt zu berücksichtigen. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH (grundlegend FamRZ 2005, 706) dürfe das Unterhaltsrecht dem Unterhaltspflichtigen nicht die Möglichkeit nehmen, sein Umgangsrecht zur Erhaltung der Eltern-Kind-Beziehung auszuüben. Deshalb seien die damit verbundenen Kosten konsequenterweise unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen, wenn und soweit sie nicht anderweitig, insbesondere nicht aus dem anteiligen Kindergeld bestritten werden könnten.
Schließlich müsse einem Unterhaltsschuldner, dem fiktives Einkommen angerechnet werde, auch die Möglichkeit eingeräumt werden, fiktive Fahrtkosten geltend zu machen. Allerdings sei der von dem Beklagten genannte Betrag von 110,00 EUR monatlich überhöht. Das OLG schätzte insoweit die Kosten für eine Monatskarte auf 50,00 EUR.
Link zur Entscheidung
OLG Bremen, Beschluss vom 18.12.2008, 5 WF 100/08