Leitsatz
Häufig wird der zu zahlende Unterhalt nicht auf der Grundlage des tatsächlichen Einkommens des Unterhaltspflichtigen, sondern eines - höheren - fiktiven Einkommens bemessen, weil keine ausreichenden Erwerbsbemühungen an den Tag gelegt worden sind oder eine innegehaltene Arbeitsstelle leichtfertig aufgegeben wurde.
Es ist umstritten, wie lange sich der Unterhaltspflichtige an diesem fiktiven Einkommen festhalten lassen muss und ob er Abänderung verlangen kann, wenn er später eine geringer bezahlte Arbeitsstelle findet.
Sachverhalt
Der Kläger war der Vater von drei Kindern. Die Ehe der Eltern wurde 1999 geschieden. Im Rahmen des Ehescheidungsverfahrens verpflichtete sich der Kläger in einem Vergleich, insgesamt 1.151,00 DM Kindesunterhalt zu zahlen. Das Kindergeld sollte der Mutter ohne Anrechnung auf die Unterhaltsbeträge in voller Höhe zustehen.
Ca. ein Jahr nach Abschluss des Vergleichs kündigte der Kläger sein Arbeitsverhältnis und war anschließend arbeitslos. Eine selbständige Tätigkeit gab er nach kurzer Zeit wieder auf. Anfang des Jahres 2000 erhob er erstmalig Abänderungsklage mit dem Ziel des völligen Wegfalls seiner Unterhaltspflichten. Die Klage wurde abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger habe seinen Arbeitsplatz mutwillig in Kenntnis seiner Unterhaltspflicht und angesichts der schwierigen Situation auf dem Arbeitsmarkt aufgegeben, um sich der Unterhaltspflicht zu entziehen. Er müsse sich deshalb unterhaltsrechtlich so behandeln lassen, als ob er noch sein früheres Einkommen erziele.
Im Frühjahr 2002 trat der Kläger eine neue Arbeitsstelle an, aus der er ein Einkommen von ca. 1.500,00 EUR erzielte. Im November 2002 erhob er erneut Abänderungsklage und machte geltend, nur noch eingeschränkt zur Leistung von Kindesunterhalt verpflichtet zu sein. Die Kinder sind der Klage entgegengetreten und haben Widerklage erhoben mit dem Ziel der Erhöhung der Unterhaltsbeträge.
Das erstinstanzliche Gericht hat Klage und Widerklage abgewiesen. Beide Seiten haben hiergegen Berufung eingelegt. Das OLG hat dem Abänderungsbegehren des Klägers, dessen Arbeitsverhältnis im Sommer 2004 betriebsbedingt gekündigt worden war, im Wesentlichen entsprochen.
Auf die Revision der Beklagten hat der BGH das Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Entscheidung
Der BGH hat in seiner Entscheidung zunächst darauf verwiesen, dass sich die Abänderungsklage des Klägers zu Recht gegen das die erste Abänderungsklage zurückweisende Urteil des AG richtete. Dieses Urteil beruhe darauf, dass sich der Kläger sein früheres Einkommen weiter zurechnen lassen müsse. Dieser Rechtszustand sei auch künftig zugrunde zu legen, so dass der Kläger nunmehr eine von dieser Prognose abweichende Entwicklung geltend mache. Für die Überprüfung der ursprünglichen Prognose sehe das Gesetz die Abänderungsklage vor.
Zentrale Frage der Entscheidung war, welche Auswirkungen es für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit hat, wenn dem erwerbslosen Unterhaltspflichtigen zunächst ein fiktives Einkommen zugerechnet wird und er später eine schlechter bezahlte Tätigkeit gefunden hat, bzw. sich auch ausreichende Erwerbsbemühungen als erfolglos erwiesen haben. Insoweit ist dem Unterhaltspflichtigen nach allgemeiner Meinung die Abänderungsklage eröffnet, weil eine unbegrenzte Leistungsfähigkeit nicht unterstellt werden könne. Diesem Ansatz folgt der BGH in seiner Entscheidung nicht uneingeschränkt. Er differenziert vielmehr danach, ob ein Schuldner seine Arbeitsstelle schuldlos verloren und sich nicht ausreichend um einen neuen Arbeitsplatz bemüht hat oder ihm die mutwillige Aufgabe seiner Arbeit vorgeworfen worden ist.
Ausgangspunkt ist dabei die dem Urteil zugrunde liegende Prognose. Der Kläger müsse darlegen, dass diese Prognose nicht mehr gerechtfertigt sei. Sie gehe jedoch in den Fällen der mutwilligen Aufgabe des Arbeitsplatzes regelmäßig dahin, dass der Unterhaltspflichtige ohne das ihm vorzuwerfende Verhalten weiterhin über seinen früheren Arbeitsplatz und das frühere Einkommen verfügen würde. Dies gelte ohne zeitliche Begrenzung, es sei denn, das abzuändernde Urteil enthalte eine derartige ausdrückliche Einschränkung.
Die Abänderungsklage wäre daher nur zulässig, wenn der Kläger geltend gemacht hätte, er hätte die frühere Arbeitsstelle aus anderen Gründen ohnehin verloren oder sein Einkommen daraus wäre aus anderen Gründen ohnehin zurückgegangen.
Der BGH hat das Berufungsurteil aufgehoben und den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückverwiesen, weil der Kläger auch geltend gemacht hatte, wegen einer fortschreitenden Verschlechterung seines Gesundheitszustandes die frühere, mit Schichtdienst verbundene Tätigkeit, ohnehin nicht mehr ausüben zu können. Mit dieser Begründung hielt der BGH die Abänderungsklage für zulässig. Die insoweit erforderlichen Feststellungen müssten vom Berufungsgericht nachgeholt werden.
Hinweis
Begehrt ein Unterhaltspflichtiger die Abänderung eines Titels, sind die Grundlagen der ...