Leitsatz

Kernproblem dieses Verfahrens war die Frage, ob in Familienrechtsverfahren bei Interessenkonflikten zwischen Eltern und dem Kind statt eines Verfahrensbeistandes ein Ergänzungspfleger zu bestellen ist.

 

Sachverhalt

Die nicht miteinander verheirateten Eltern - die Beteiligten zu 3) und 4) - des am 29.5.2006 geborenen Kindes M. C. übten die elterliche Sorge aufgrund einer Sorgerechtserklärung gemeinsam aus. Zunächst lebten sie mit dem Kind in einer gemeinsamen Wohnung. Nach der Trennung Anfang 2007 zog die Kindesmutter mit dem Kind in eine eigene Wohnung. Anfang Mai 2008 wechselte das Kind mit Zustimmung der Mutter in den Haushalt des Vaters. Etwa zeitgleich änderte die Mutter ihren Wohnsitz und lebte seither zusammen mit ihrem Lebensgefährten in Baden-Württemberg. Im September 2009 zog der Vater zusammen mit dem Kind nach Niedersachsen. Das Kind besuchte seither den Halbtagskindergarten.

In einem Kindschaftsverfahren vor dem AG stritten die Kindeseltern um das Aufenthaltsbestimmungsrecht als Teil des Sorgerechts sowie über den zukünftigen Aufenthalt des Kindes. Die Kindesmutter machte in diesem Verfahren geltend, das Kind habe nach wie vor eine starke emotionale Bindung an sie. Daran habe auch die zurückliegende Zeit ihrer Trennung von dem Kind nichts geändert. Hinzu komme, dass der Vater ihr zunehmend das Umgangsrecht mit dem Kind erschwere und sie überdies aus finanziellen Gründen wegen der weiten Anreise häufige Besuchskontakte nicht finanzieren könne. Im Mai 2008 habe sie das Kind nur vorübergehend dem Vater überlassen, ohne dadurch einen dauerhaften Aufenthalt des Kindes begründen zu wollen.

Mit Beschluss vom 7.6.2010 hat das Familiengericht im Kindschaftsverfahren für das Kind einen Verfahrensbeistand bestellt. Kurze Zeit zuvor hatte die Rechtspflegerin des Familiengerichts im vorliegenden Verfahren mit Beschluss vom 1.6.2010 für das Kind Ergänzungspflegschaft angeordnet und das zuständige Kreisjugendamt zum Ergänzungspfleger bestellt. Der Wirkungskreis umfasste die Vertretung des Kindes im Kindschaftsverfahren und die Wahrnehmung von dessen Interessen.

Gegen den Beschluss zur Anordnung einer Ergänzungspflegschaft wandte sich die Kindesmutter mit der Beschwerde und begehrte die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.

Ihr Rechtsmittel blieb ohne Erfolg.

 

Entscheidung

Das OLG entschied gemäß § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG ohne mündliche Verhandlung und kam zu dem Ergebnis, das Rechtsmittel der Mutter gegen die im ersten Rechtszug ergangene Entscheidung des Familiengericht zur Anordnung einer Ergänzungspflegschaft habe in der Sache keinen Erfolg.

Beim Verfahren zur Regelung des Sorgerechts handele es sich nach § 151 Nr. 1 FamFG um eine Kindschaftssache, an der die 4-jährige Tochter - die Beteiligte zu 1) - formell zu beteiligen und ggf. persönlich anzuhören sei. Ein Kind sei in allen Kindschaftssachen, die die Entziehung oder auch nur Einschränkung der elterlichen Sorge beträfen, Verfahrensbeteiligter i.S.v. § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG. Danach seien diejenigen als Beteiligte hinzuzuziehen, deren Rechte durch das Verfahren unmittelbar betroffen werde. Dabei komme es auf die weitergehende Frage, ob das Verfahren tatsächlich zu einer Rechtsbeeinträchtigung führe, nicht an (Prütting/Helms, FamFG, § 7 Rz. 27).

Mit dem Inkrafttreten des FamFG seien materiell Betroffene im Verfahren nicht mehr nur lediglich durch das Gericht persönlich anzuhören. Vielmehr erweitere § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG die formelle Beteiligung generell auf alle Personen, die von dem Verfahren materiell in ihren Rechten betroffen seien.

Diese Grundsätze hätten in gleicher Weise für die am Verfahren beteiligten Kinder wie für andere Beteiligte Geltung. Daran ändere nichts, dass das Gesetz in den Kindschaftssachen zwar explizit die Kindesanhörung regele, es aber - abweichend von anderen Verfahren - für diese Verfahren keine katalogartige Aufzählung der zu beteiligenden Personen gebe.

Voraussetzung für eine aktive Teilnahme am Verfahren sei zunächst, dass das Kind in geeigneter Form informiert und durch das Gericht angehört werde. Die Anhörung diene sowohl der Erfahrung des rechtlichen Gehörs, als auch der Klärung des Sachverhalts. Nicht selbst verfahrensfähige Kinder müssten im Verfahren durch einen gesetzlichen Vertreter vertreten werden (§ 9 Abs. 2 FamFG). Damit seien zunächst die Eltern bzw. ein allein sorgeberechtigter Elternteil zur gesetzlichen Vertretung des Kindes in Kindschaftsverfahren berufen.

Bestehe zwischen den Eltern oder im Eltern-Kind-Verhältnis ein erheblicher Interessengegensatz, könne die Vertretungsbefugnis nach §§ 1629 Abs. 2 S. 3, 1796 BGB zu entziehen sein. Von einem derartigen Interessengegensatz sei bereits dann auszugehen, wenn die konkrete Gefahr bestehe, der gesetzliche Vertreter werde im Konfliktfall das Kindeswohl nicht mit der gebotenen Zielstrebigkeit verfolgen.

Bei einem Streit der Eltern um das Sorgerecht im Kindschaftsverfahren offenbare dieser Streit zwar nicht immer und ausnahmslos einen erheblichen Interessengegensatz. Im vo...

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