Leitsatz
Gegenstand des Verfahrens war die Frage, ob in einer Kindschaftssache die Beteiligtenstellung minderjähriger Kinder generell die Notwendigkeit der Bestellung eines Ergänzungspflegers mit sich bringt oder die Bestellung eines Verfahrensbeistandes vorrangig zu prüfen ist.
Sachverhalt
Die Eltern stritten darum, ob es bei der gemeinsamen Sorge für ihre drei gemeinsamen Kinder verbleiben oder dem Vater die alleinige elterliche Sorge übertragen werden sollte.
Mit Beschluss vom 16.4.2010 hatte das AG im einstweiligen Anordnungsverfahren ohne Anhörung der Beteiligten Ergänzungspflegschaft bezüglich des im Jahre 2001 geborenen Kindes Q. angeordnet. Mit Beschluss vom 23.4.2010 hat es die Ergänzungspflegschaft auf das mit demselben Beschluss hinzuverbundene Verfahren nach § 1666 BGB erstreckt. Die förmliche Bestellung eines Pflegers war nach §§ 1909, 1915, 1789 nicht erfolgt.
Nachdem die Kinder am 12.4.2010 wegen des Streits der Eltern durch das Jugendamt in Obhut genommen worden waren, lebte das Kind Q. seit dem 7.5.2010 aufgrund einer Einigung der Eltern wieder im Haushalt des Vaters.
Gegen den Beschluss, mit dem die Ergänzungspflegschaft angeordnet wurde, hat die Kindesmutter Beschwerde eingelegt.
Ihr Rechtsmittel führte zur Aufhebung des erstinstanzlichen Beschlusses.
Entscheidung
Das OLG hielt die Beschwerde für begründet, da es vorliegend der Bestellung eines Ergänzungspflegers nicht bedurft habe.
Zu Recht sei das AG allerdings davon ausgegangen, dass das Kind Q. in einem Verfahren, das die elterliche Sorge zum Gegenstand habe, Verfahrensbeteiligter i.S.d. § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG sei und sich nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 FamFG nicht selbst vertreten könne. Seine Interessen nähmen in diesem Fall grundsätzlich die Eltern wahr, die auch ersichtlich nicht nach §§ 1629 Abs. 2, 1795 BGB von der Vertretung ausgeschlossen seien. In Betracht komme allenfalls die Entziehung der Vertretungsmacht nach § 1796 BGB, wenn zwischen den Interessen des Kindes und denen seiner Eltern ein erheblicher Gegensatz bestehe.
In Kindschaftssachen wie der vorliegenden könne im Einzelfall ein solcher erheblicher Interessengegensatz bestehen. Dem werde allerdings im Regelfall durch die Bestellung eines Verfahrensbeistandes nach § 158 FamFG ausreichend Rechnung getragen, so dass im Ergebnis die Entziehung der Vertretungsmacht und die Bestellung eines Ergänzungspflegers nur in besonderen Ausnahmefällen überhaupt in Betracht komme. Das OLG Koblenz schloss sich insoweit der Entscheidung des OLG Stuttgart vom 26.10.2009 an (NJW-RR 2010, 222; zustimmend Keuter, Vertretung Minderjähriger in Kindschaftssachen des FamFG, NJW 2010, 1851 und jurisPK - BGB § 1909 BGB Rz. 45.1).
Der Gesetzgeber habe in § 158 Abs. 2 Nr. 2 FamFG genau für den Fall, dass das Interesse des Kindes zu dem seiner gesetzlichen Vertreter in erheblichem Gegensatz stehe, die Bestellung eines Verfahrenspflegers vorgesehen. Diese Vorschrift sei weitgehend überflüssig, wenn in all diesen Fällen bereits die Vertretung eines Ergänzungspflegers zur erfolgen hätte, denn mit der Auswechslung des gesetzlichen Vertreters wäre im Regelfall der ursprünglich bestehende Interessengegensatz aus der Welt geschaffen.
Aufgabe des Verfahrenspflegers sei es, die Rechte des Kindes eigenständig wahrzunehmen und seine Belange sicherzustellen. Er sei so früh wie möglich zu bestellen, habe die Stellung eines Beteiligten und könne damit die Kindesbelange unabhängig von den Elterninteressen frühzeitig in das Verfahren einbringen und wahrnehmen.
Link zur Entscheidung
OLG Koblenz, Beschluss vom 03.08.2010, 7 UF 513/10