4.1 Frist zur Abhilfe oder Abmahnung
Rz. 127
Weitere zwingende Voraussetzung für die fristlose Kündigung aus wichtigem Grund – ausgenommen die Kündigung wegen Zahlungsverzugs des Mieters gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 3 (BGH, Urteil v. 29.4.2009, VIII ZR 142/08, GE 2009, 709) – ist grundsätzlich, dass der kündigende Vertragspartner dem anderen Vertragspartner erfolglos eine Frist zur Abhilfe gesetzt hat (KG, Beschluss v. 19.4.2018, 8 U 169/15, juris; LG Berlin, Urteil v. 8.3.2018, 65 S 199/17, juris).
Abmahnung erforderlich
Der wegen eines Mietmangels fristlos kündigende Mieter muss, auch wenn der Mangel wiederholt eingetreten ist, den Vermieter abmahnen, wenn dieser jeweils Mangelbeseitigungsversuche unternommen hat und die vom Mieter tatsächlich genutzten Räume davon nicht oder nur geringfügig betroffen sind (OLG Brandenburg, Urteil v. 7.7.2020, 3 U 82/19, GE 2021, 437).
Auch eine außerordentliche fristlose Kündigung eines Mietverhältnisses über Wohnraum wegen erheblicher Gesundheitsgefährdung nach §§ 543 Abs. 1, 569 Abs. 1 ist grundsätzlich erst zulässig, wenn der Mieter dem Vermieter zuvor gemäß § 543 Abs. 3 Satz 1 BGB eine angemessene Abhilfefrist gesetzt oder eine Abmahnung erteilt hat (BGH, Urteil v. 18.4.2007, VIII ZR 182/06, GE 2007, 841). Eine Kündigung hat abmahnungsrechtliche Wirkung (OLG Hamm, Urteil v. 26.8.2009, 30 U 217/08, zitiert nach juris; AG Hamburg-Wandsbek, Urteil v. 14.3.2019, 713 C 270/18, ZMR 2019, 510). Auch eine materiell unwirksame Vermieterkündigung reicht als (konkludente) Abmahnung aus, wenn sie sich auf den einschlägigen Kündigungsvorwurf stützt (LG Berlin, Urteil v. 9.4.2015, 67 S 28/15, WuM 2015, 421 = GE 2015, 789).
Die Abmahnung muss der Kündigung vorausgehen (AG Berlin-Tiergarten, Urteil v. 23.1.1987, 17 C 434/86, GE 1987, 285) und den Vertragsverstoß so genau bezeichnen, dass für den Mieter erkennbar ist, welches Verhalten der Vermieter als vertragswidrig ansieht (LG Berlin, Urteil v. 17.10.2014, 63 S 166/14, GE 2015,123; vgl. im Übrigen Rn. 27, 53). Die Abmahnung muss hinreichend bestimmt formuliert sein (AG München, Urteil v. 7.2.2013, 411 C 25348/12, ZMR 2013, 450) und ergeben, dass dem Mieter für den Fall eines weiteren Vertragsverstoßes Konsequenzen drohen (AG Gelsenkirchen, Urteil v. 2.9.2016, 205 C 5/16, ZMR 2017, 63 und Beschluss v. 27.10.2016, 205 C 5/16, WuM 2017, 648).Dazu reicht eine schriftliche Aufforderung mit einer Bitte um Stellungnahme zur Vertragsverletzung nicht aus (OLG Frankfurt/Main, Beschluss v. 8.9.2010, 15 U 53/10, ZMR 2011, 121). Falls keine Abmahnung erfolgt ist, ist dem anderen Vertragspartner eine Frist einzuräumen, innerhalb derer er das vertragswidrige Verhalten abstellen kann; daher muss die Frist grundsätzlich so bemessen werden, dass dem Vertragspartner Abhilfe möglich ist (LG Mannheim, Urteil v. 12.8.1981, 4 S 111/80, WuM 1985, 262). Dies gilt auch bei Gefährdung des Mietobjekts und bei unerlaubter Gebrauchsüberlassung; allerdings kann die Frist bei konkreter Gefahr für die Bausubstanz erheblich verkürzt werden.
Die Frist muss angemessen sein. Sie beginnt mit der Kenntniserlangung vom Kündigungsgrund (BGH, Urteil v. 21.3.2007, XII ZR 36/05, GE 2007, 711). Das gilt auch für die Nichtzahlung der Kaution (BGH, Urteil v. 21.3.2007, XII ZR 36/05, a. a. O.; KG, Beschluss v. 19.4.2018, 8 U 169/15, a. a. O.).
Die Fristsetzung oder Abmahnung braucht nicht mit einer Kündigungsandrohung verbunden zu werden (BGH, Urteil v. 13.6.2007, VIII ZR 281/06, GE 2007, 1179; OLG Hamm, Urteil v. 26.8.2009, 30 U 217/08, zitiert nach juris; Schmidt-Futterer/Blank, § 543 Rn. 30; a. A. LG Hamburg, Urteil v. 29.8.1985, 7 S 69/85, WuM 1986, 338; LG Itzehoe, Urteil v. 22.11.1990, 4 S 146/90, WuM 1991, 99). Vorsichtshalber sollte in der Fristsetzung oder Abmahnung immer eine Kündigungsandrohung enthalten sein (eingehend dazu Schläger, ZMR 1991, 42).
Rz. 128
Die Fristsetzung und die Abmahnung sind einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärungen, die von allen kündigenden Vertragspartnern allen Vertragsgegnern gegenüber erklärt werden müssen (LG Heidelberg, Urteil v. 9.6.2000, 5 S 22/00, NZM 2001, 91). Wenn eine Vermietermehrheit abmahnen will, müssen alle Vermieter als Erklärende aufgeführt werden – zumindest durch eine schlagwortartige Bezeichnung wie im Mietvertrag (z. B. Bauherrengemeinschaft Berliner Straße 24 oder Erbengemeinschaft Schulze) – und die Erklärung muss sich an alle Mieter richten (z. B. Herrn Alfred Schulze und Frau Elfriede Schulze). Dies gilt auch dann, wenn die Hausverwaltung für den Vermieter kündigt; in diesem Fall muss sich aus der Fristsetzung oder Abmahnung deutlich ergeben, dass sie im Namen des Vermieters erfolgt (z. B. "namens und in Vollmacht Ihres Vermieters, der Bauherrengemeinschaft Berliner Straße"). Will der Mieter kündigen, müssen ebenfalls alle Mieter zuvor die Frist setzen oder den/die Vermieter abmahnen. Haben Eheleute oder nichteheliche Lebenspartner gemeinsam die Wohnung angemietet, müssen alle die entsprechende Erklärung abgeben. Es reicht grundsätzlich nicht aus, wenn...