1 Allgemeines
Rz. 1
Der Gesetzgeber der Mietrechtsreform hat versucht, die Vorschriften über Wohnraummietverhältnisse von den anderen mietrechtlichen Vorschriften abzusetzen. Das ist ihm nur teilweise gelungen. Der Rechtsanwender muss also nicht nur bei jeder einzelnen Vorschrift prüfen, ob sie für das jeweilige Mietverhältnis zur Anwendung kommt. Er muss darüber hinaus in allen drei Abschnitten der §§ 535 ff. nachschauen, inwiefern Vorschriften aus anderen Abschnitten für das in Frage stehende Mietverhältnis einschlägig sind.
Teilweise ist in einzelnen Vorschriften außerhalb des zweiten Abschnittes (Mietverhältnisse über Wohnraum, §§ 549–577a) vermerkt, dass die entsprechende Regelung bei Vorliegen eines Wohnraummietverhältnisses nicht abbedungen werden kann.
§ 549 erklärt die allgemeinen Vorschriften des ersten Abschnittes (§§ 535–548) auch für das Wohnraummietverhältnis für anwendbar, allerdings nur insofern, als sich nicht aus den speziellen Vorschriften des zweiten Abschnittes (Mietverhältnisse über Wohnraum) etwas anderes ergibt.
Über § 578 werden wiederum für Mietverhältnisse über Grundstücke und Räume, die keine Wohnräume sind, bestimmte Vorschriften aus dem Wohnraummietrecht (zweiter Abschnitt) für anwendbar erklärt.
2 § 549 Abs. 1
Rz. 2
§ 549 Abs. 1 stellt klar, dass die Bestimmungen des ersten Abschnitts/ersten Untertitels auch für Wohnraummietverhältnisse gelten, soweit der zweite Abschnitt/zweiter Untertitel keine abweichenden Regelungen enthält.
3 § 549 Abs. 2 und 3
Rz. 3
Die Absätze 2 und 3 der Vorschrift bringen sogleich eine Einschränkung für Abs. 1, indem sie für bestimmten Wohnraum den Anwendungsbereich der Vorschriften für Wohnraummietverhältnisse einschränken. Die Ausnahmen beziehen sich – wie bisher schon z. B. in § 564b Abs. 7 a. F. – auf bestimmte Vorschriften zum Kündigungsschutz für den Mieter und zu Mieterhöhungsbeschränkungen (vgl. z. B. § 10 Abs. 3 MHG a. F.).
In dem Katalog der Ausnahmevorschriften der Absätze 2 und 3 ist das Vorkaufsrecht (§ 577) neu aufgenommen worden. Es erschien dem Gesetzgeber nicht sachgerecht, in den in Abs. 2 Nr. 1–3 und Abs. 3 genannten Fällen dem Mieter bei Verkauf der Wohnung ein Vorkaufsrecht einzuräumen. Zweck des Vorkaufsrechts sei es nämlich, den Mieter im Zusammenhang mit einem Verkauf der Wohnung gegen eine Verdrängung zu schützen. Dieses Schutzes bedürfe aber der Mieter in den in Abs. 2 Nr. 1–3 und Abs. 3 genannten Fällen gerade nicht. Dies werde besonders deutlich im Falle des nur zum vorübergehenden Gebrauch vermieteten Wohnraums. Außerdem sei es vor dem Hintergrund, dass der Vermieter den Mieter in diesen Fällen ja ohnehin ohne Vorliegen besonderer Kündigungsgründe kündigen könne, nur folgerichtig, auch insoweit keinen Bestandsschutz anzunehmen. Bei möbliertem Einliegerwohnraum (Abs. 2 Nr. 2) bestehe schon deshalb kein Vorkaufsrecht, weil der dem Mieter überlassene Teil der Wohnung ohnehin nicht die für die Bildung von Wohnungseigentum erforderliche Abgeschlossenheit aufweisen könne. Dies gelte unabhängig davon, ob der Wohnraum dem Mieter oder seiner Familie oder einem auf Dauer angelegten gemeinsamen Haushalt überlassen sei. Nur um Missverständnissen vorzubeugen, sei auch bei dieser Fallgruppe das Vorkaufsrecht ausdrücklich ausgeschlossen worden.
Die Regelungen über die Zulässigkeit der Teilkündigung nach § 564b Abs. 2 Nr. 4 a. F. galten bisher nicht für den Anwendungsbereich des § 564b Abs. 7 a. F., also für den Wohnraum, der jetzt von § 549 Abs. 2 und 3 erfasst wird. § 573b (Teilkündigung des Vermieters) wird jedoch nicht in § 549 Abs. 2 und 3 genannt, gilt jetzt also auch für den Wohnraum. Der Gesetzgeber meint, wenn die Teilkündigung unter den in § 573b genannten Voraussetzungen sogar für die den Kündigungsvorschriften ausnahmslos unterfallenden Wohnraummietverhältnissen zulässig sei, müsse dies erst recht für die weniger schutzbedürftigen Mietverhältnisse i. S. d. Abs. 2 Nr. 1–3 und Abs. 3 gelten. Dies liege auch im Interesse des Mieters. Sei nämlich die Vorschrift über die Teilkündigung nicht anwendbar, so sei eine Teilkündigung überhaupt nicht möglich. Da aber in den Fällen des Abs. 2 Nr. 1–3 und Abs. 3 ohnehin das Mietverhältnis insgesamt ohne Vorliegen besonderer Kündigungsgründe gekündigt werden könne, stelle eine Teilkündigung unter den Voraussetzungen des § 573b für den Mieter das "mildere Mittel" dar. Das alles stellt eine ausgesprochen komplizierte Regelung dar, die für die mietrechtliche Praxis kaum Relevanz zeigen dürfte.
Rz. 3a
Die Sozialklausel des § 574 gilt nicht für den Wohnraum, der nur zum vorübergehenden Gebrauch vermietet ist (§ 549 Abs. 2 Nr. 1), d. h. nach dem Willen beider Vertragsparteien der Wohnraum nur für eine bestimmte, absehbare Zeit vermietet worden ist, wofür der vereinbarte Verwendungszweck maßgebend ist (LG Berlin, Urteil v. 21.9.2021, 65 S 36/21, GE 2022, 105; LG Berlin, Urteil v. 5.6.2020, 66 S 68/18, ZMR 2020, 836). Weder eine "ausländische Verwurzelung" der Mieter noch ihre berufliche Situation allein sind ein Indiz für die Unterstellung der Absicht einer ...