Klaus Schach, Hans-Jürgen Bieber
Rz. 5
Vorrangig ist das Interesse des Mieters. Liegt dieses vor, kann der Mieter grundsätzlich die Erteilung der Erlaubnis verlangen. Je schwerer die Behinderung ist, umso stärkere Eingriffe in die Bausubstanz sind vom Vermieter zu akzeptieren. Der Mieter, dessen Zeitmietvertrag in Kürze abläuft oder der ohnehin in Kürze in ein Pflegeheim umziehen muss, kann sich weniger auf berechtigte Interessen berufen als ein Mieter, der bereits Jahrzehnte in der Wohnung lebt und deshalb feste Bindungen zur Nachbarschaft und Wohnumgebung entwickelt hat.
Bei der Erlaubnis zu baulichen Veränderungen für Behinderte können in der Wohnraummiete die besonderen Belange des Mieters eine Rolle spielen, wie z.B. im Fall des Mieters, der absehbar ohne Treppenlift seine Wohnung aufgeben müsste, der aber kaum Chancen am allgemeinen Wohnungsmarkt hätte oder bei der Verbesserung des Einbruchsschutzes für eine Wohnung, die vermehrt von Einbrüchen betroffen ist. Der Gewerbemieter kann einen Anspruch auf Erlaubnis der baulichen Veränderungen haben, wenn er mit der Schaffung der Barrierefreiheit als auch mit einer Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge seine Marktposition verbessern könnte (Schmidt-Futterer/Flatow, § 554 Rn. 14). Öffentliche Belange wie eine besserer Klimaschutz oder das allgemeine Interesse daran, Menschen mit Behinderungen eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen sind insoweit nicht zu berücksichtigen (so zutreffend Schmidt-Futterer/Flatow, § 554 Rn. 15).
Rz. 6
Verweigerung der Erlaubnis
Der Vermieter kann die Erlaubnis nur dann verweigern, wenn seine Interessen wesentlich schwerwiegender sind. Insoweit sind der Umfang der Bauarbeiten und der Substanzeingriffe, deren Dauer und die Möglichkeit der Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes zu berücksichtigen, aber auch eine zu befürchtende Mietminderung durch die anderen Mieter oder ob eine Duldungspflicht der anderen Mieter besteht, sofern es darauf ankommt.
Der Mieter hat zudem keinen Anspruch auf Erlaubnis des Vermieters zu den beabsichtigten baulichen Veränderungen oder Einrichtungen, wenn aus Gründen des Denkmalschutzes eine Veränderung der Wohnung oder des Gebäudes verboten wäre oder den Maßnahmen Sicherheitsbestimmungen entgegenstehen. Ebenso würden die Interessen des Vermieters überwiegen, wenn die bauliche Veränderung oder sonstige Einrichtung zu einer Gefährdung der Bausubstanz führen würde. Insoweit reicht es aber nicht aus, wenn der Vermieter sich allein darauf beruft, dass die ausführende Firma Fehler bei der baulichen Veränderung oder der Einrichtung machen könnte.
Rz. 7
Bei der Interessenabwägung sind auch die berechtigten Interessen anderer Mieter in dem Gebäude zu berücksichtigen; die Interessen der Mieter in einem anderen Gebäude sind – auch wenn dieses auf demselben Grundstück steht – nicht zu berücksichtigen. Auch den Mietern in demselben Gebäude gegenüber genießt aber das berechtigte Interesse des Mieters Vorrang. Die entgegenstehenden Interessen der anderen Mieter müssen das Interesse des Mieters überwiegen, um den Anspruch auf Zustimmung auszuschließen. Gewisse Einschränkung des vertragsgemäßen Gebrauchs – z.B. durch Einbau eines Treppenlifts im Hausflur – müssen die Mitmieter hinnehmen. Die Grenze dafür ist allerdings dann überschritten, wenn durch die behindertengerechte Einrichtung die Nutzung der als mitvermietet geltenden Hausteile nur unter wesentlichen Erschwernissen oder sogar unter Gefährdung der Mitmieter möglich ist (z.B. durch den Einbau des Treppenlifts wird der Treppenaufgang derart schmal, dass die Mitmieter sich hindurch zwängen müssen oder wegen Verkleinerung der Treppenstufen die Treppe nicht mehr gefahrlos benutzen können). Soweit die Mitmieter die behindertengerechte Maßnahme dulden müssen, können sie weder die Miete mindern noch Schadensersatz gem. § 536a verlangen.
Weitere Voraussetzung für den Anspruch auf Erlaubnis ist, dass der Mieter die Notwendigkeit dieser baulichen Veränderung oder sonstigen Einrichtung für eine behindertengerechte Nutzung der Mietsache oder den Zugang zu ihr darlegt und – im Bestreitensfall – beweist. Dazu gehört zunächst die Darlegung von Art und Grad der Behinderung (z.B. durch ärztliche Bescheinigung oder Behindertenausweis, aus dem sich auch die Art der Behinderung ergibt). Ferner muss er darlegen – und ggf. beweisen –, dass die von ihm in Aussicht genommene bauliche Veränderung oder sonstige Einrichtung für die behindertengerechte Nutzung der Mietsache oder den Zugang zu ihr erforderlich ist. Der Mieter muss also die zwingende Notwendigkeit dieser Maßnahme oder Einrichtung für die Nutzung der Mietsache oder den Zugang zu ihr nachweisen.