Rz. 1
Die Norm entspricht inhaltlich dem bis 31. 8. 2001 geltenden § 556 a Abs. 5 und 6 BGB a. F. ; sie regelt Form und Frist des auf Härtegründe gestützten Widerspruchs des Mieters gegen die ordentliche Kündigung des Vermieters (vgl. zum Anwendungsbereich die Kommentierung zu § 574 BGB). Die Norm dient nach Vorstellung des Gesetzgebers der Rechtssicherheit und der Rechtsklarheit: Der Vermieter soll durch den fristgerechten Zugang oder das Ausbleiben des formgerecht erhobenen Widerspruchs rechtzeitig vor Ablauf der Kündigungsfrist Klarheit über die Beendung des Mietverhältnisses erlangen (vgl. BeckOGK/Emanuel, 1.10.2024, BGB § 574b Rn. 3 m. w. N., beck-online).
Rz. 2
Der Widerspruch bedurfte bis zum 31. Dezember 2024 der Schriftform nach § 126 und war daher vom Mieter zu unterschreiben. Bei einer Personenmehrheit von Mietern mussten grundsätzlich alle unterschreiben, es sei denn, eine entsprechende Vollmacht liegt vor (es gilt § 174 BGB für den Fall, dass die Originalvollmacht nicht beigefügt wird). Aus der Schriftform ergab sich, dass eine telegrafische Übermittlung (OLG Karlsruhe, RE v. 16.2.1973 = NJW 1973, 1001), aber auch eine Übermittlung per Telefax nicht ausreichte (vgl. zum Telefax im Rechtsverkehr Schach, GE 1994, 487 ff.). § 126 ist allerdings durch das Gesetz zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Rechtsverkehr v. 13.7.2001 ab 1.8.2001 in Abs. 3 verändert worden, wonach die schriftliche Form durch die elektronische Form ersetzt werden kann. Das setzt nach § 126a voraus, dass der Aussteller der Erklärung dieser seinen Namen hinzufügen und das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz versehen muss (vgl. dazu sowie zur Erklärung des Widerspruchs in einem als elektronisches Dokument bei Gericht eingereichten Schriftsatz auch die Kommentierung zu § 568, Rz 2).
Durch das Vierte Bürokratieentlastungsgesetz (BGBl. I 2024 Nr. 323) wurde § 574b BGB mit Wirkung zum 1.1.2025 geändert, sodass der Widerspruch nur noch der Textform nach § 126b BGB genügen muss, inzwischen also beispielsweise per E-Mail, SMS oder auch via Telefax erklärt werden kann.
Grundsätzlich sollen für den Widerspruch die strengen Regelungen des § 130 f. BGB für Willenserklärungen mit Gestaltungswirkung gelten, die bei einer Mietermehrheit von allen Mietern abgegeben werden müssen und auch allen von mehreren Vermietern zuzugehen haben, damit sie wirksam werden (vgl. nur MüKoBGB/Häublein, 9. Aufl. 2023, BGB § 574b Rn. 4 f., beck-online). Eine in Mietverträgen vielfach übliche Formular-Vollmachtklausel, wonach Willenserklärungen eines Mieters auch für die anderen Mieter verbindlich sind, die Mieter sich gegenseitig zur Abgabe und Entgegennahme von Willenserklärungen bevollmächtigen, ist in diesem Zusammenhang wirksam, weil der Widerspruch vertragserhaltende Wirkung hat, die Klausel nach §§ 305 ff. BGB nur dann unwirksam ist, wenn sie eine die Mietermehrheit belastende Kündigung betrifft. Wird der Widerspruch nur von einem von mehreren Mietern getragen, soll er aber nicht insgesamt unwirksam sein, sondern es allein dem widersprechenden Mieter ermöglichen, Härtegründe geltend zu machen (Schmidt-Futterer/Hartmann, Mietrecht, 16. Aufl. 2024, BGB § 574b Rn. 2, beck-online). Sieht man den Widerspruch statt als Willenserklärung bloß als geschäftsähnliche Handlung an, erscheint diese Lösung rechtlich möglich (vgl. für die Rüge nach § 566g BGB: BGH, Urteil v. 27.5.2020, VIII ZR 45/19, BGHZ 225, 352 ff., Rn. 95 m. w. N., juris). Sie erscheint auch sachgerecht, schon weil es vorkommen kann, dass nur einer von mehreren Mietern das Mietverhältnis fortzusetzen wünscht und § 574a BGB ausdrücklich die Möglichkeit eröffnet, das Mietverhältnis zu geänderten Bedingungen fortzusetzen. Je nach den Umständen mag im Einzelfall, wenn übergeordnete Interessen des Vermieters das nicht verbieten, die Fortsetzung des Mietverhältnisses mit nur einem oder einigen von mehreren Mietern in Betracht kommen (a. A. Staudinger/Rolfs (2021) BGB § 574, Rn. 27, juris; MüKoBGB/Häublein, 9. Aufl. 2023, BGB § 574b Rn. 5, beck-online).
Der Erklärung muss zweifelsfrei zu entnehmen sein, dass sich der Mieter gegen die Beendigung des Mietverhältnisses wendet, während die Begriffe des § 574 Abs. 1 Satz 1 "widersprechen" und "Fortsetzung des Mietverhältnisses" nicht gebraucht werden müssen. Aus § 574b Abs. 1 Satz 1 folgt, dass Gründe nicht angegeben werden müssen. Gibt der Mieter auch auf Verlangen des Vermieters keine Gründe an, kann das im Räumungsrechtsstreit zu Kostennachteilen (§ 93b Abs. 2 ZPO) führen, ist aber ansonsten an keine Sanktionen geknüpft (sog. Soll-Vorschrift).
Der Widerspruch führt nicht "automatisch" zur Fortsetzung des Mietverhältnisses, sondern erzeugt einen Schwebezustand, der mit einer Einigung der Parteien zur Fortsetzung des Mietverhältnisses oder mit einem Urteil endet, das entweder zur Fortsetzung des Mietverhältnisses führt oder den Mieter zur Räumung verurtei...