BGB § 1610 Abs. 2
Leitsatz
1. Der Unterhaltsberechtigte, der einen den Höchstbedarf gemäß Düsseldorfer Tabelle übersteigenden Bedarf geltend macht, muss besondere oder besonders kostenintensive Bedürfnisse und die zu ihrer Deckung notwendigen Mittel darlegen. Übertriebene Anforderungen an seine Darlegungslast dürfen nicht gestellt werden, weil sonst der Kindesunterhalt faktisch auf den Tabellenhöchstbedarf beschränkt würde.
2. In der Regel ist der Unterhalt auch bei Einkünften deutlich über dem Bereich der Düsseldorfer Tabelle nur maßvoll anzuheben, weil die Lebensstellung der Kinder in erster Linie durch ihr Kindsein geprägt wird. Auch in besten Verhältnissen lebende Eltern schulden dem Kind nicht, was es wünscht, sondern was es nach seinem Lebensstandard braucht.
3. Betreuungskosten für das Kind bestimmen nicht den Bedarf des Kindes (als Kosten der Erziehung), sondern stellen berufsbedingte Aufwendungen des betreuenden Elternteils dar, wenn die fragliche Betreuung in erster Linie nicht aus pädagogischen Gründen, sondern zur Ermöglichung eine Erwerbstätigkeit des betreuenden Elternteils erfolgt. Dies gilt auch bei Beschäftigung einer ausgebildeten Kinderkrankenschwester als Kinderfrau.
4. Stellen beide Eltern die Betreuungsperson gemeinsam an, so hat derjenige Elternteil, welcher für die Betreuungskosten aufkommt, einen Anspruch auf hälftigen Gesamtschuldnerausgleich gegen den anderen Elternteil.
(Leitsätze der Red.)
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.6.2016 –1 UF 12/16 (AG Düsseldorf)
Anmerkung
Anm. der Red.: Die Entscheidung ist abgedruckt in FamRZ 2017, 113.
2 Anmerkung
1. Ausgangslage
Die Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 30.6.2016 befasst sich mit der konkreten Bedarfsberechnung beim Kindesunterhalt und mit der Frage der Abzugsfähigkeit von Kosten, die ein berufstätiger Elternteil für die Betreuung der gemeinsamen Kinder aufwenden muss.
2. Inhalt der Entscheidung
Aus der im Jahr 2005 geschlossenen Ehe der Antragstellerin, die als Leiterin Key Account Management im Umfang von 34 Wochenstunden arbeitet, mit dem Antragsgegner, der als Vertriebsleiter ein monatliches Nettoeinkommen von 7.877 EUR erzielt, sind die Söhne H C, geboren am 5.8.2006, und K W, geboren am 11.5.2008, hervorgegangen. Die Kinder besuchen die Grundschule. Im Juni 2009 stellten die Eltern eine Kinderfrau ein, die zum 1.10.2011 durch eine ausgebildete Kinderkrankenschwester als Kinderfrau ersetzt wurde. Beide wurden zunächst auf den Namen des Antragsgegners bei der Minijob-Zentrale angemeldet. Im April 2014 kündigte der Antragsgegner von dem gemeinsamen Konto der Beteiligten ausgehende Daueraufträge, darunter auch denjenigen für die Kinderfrau und die Wohnungsmiete. Seither trägt die Antragstellerin die Kosten für die Kinderfrau.
Seit Mai 2014 leben die Beteiligten endgültig getrennt. Die Antragstellerin verblieb mit beiden Kindern in dem ehelichen Haus. Unter dem 12.5.2014 errichtete der Antragsgegner vor dem Jugendamt Düsseldorf für jedes Kind drei Jugendamtsurkunden über die Verpflichtung zum Unterhalt: eine über die Zahlung von 160 % des Mindestunterhalts abzüglich des anrechenbaren hälftigen Kindergeldes für die Zeit ab dem 1.6.2014, eine weitere über die Zahlung eines monatlichen Krankenkassenbeitrags von 200 EUR, ebenfalls für die Zeit ab dem 1.6.2014, und eine dritte über die Zahlung hälftigen Schulgeldes von monatlich 75 EUR, und zwar für H C für die Zeit ab dem 1.6.2014 2014 und für K W für die Zeit ab dem 1.8.2014.
Die Antragstellerin begehrt Kindesunterhalt. Sie hält auf der Grundlage des monatlichen Nettoeinkommens des Antragsgegners von 7.877 EUR und einer konkreten Bedarfsbemessung einen Elementarbedarf je Kind von monatlich insgesamt 1.262 EUR für gerechtfertigt, weil sich ein erhöhter Bedarf hinsichtlich der Bedarfsposten Wohnkosten, Wohnnebenkosten einschließlich Putzfrau, Bekleidung, Freizeit, Bildung, Beherbergung einschließlich Urlaubsreisen, Waren und Dienstleistungen sowie im Hinblick auf die Kosten des Schulessens ergebe. Die Aufwendungen von monatlich 495,04 EUR je Kind für die Kinderfrau seien als Mehrbedarf der Kinder zu werten. Der Antragsgegner habe angesichts der Relation der Einkünfte der Beteiligten zwei Drittel, mithin 330,03 EUR zu tragen. Anderenfalls habe sie insoweit jedenfalls einen Anspruch auf Gesamtschuldnerausgleich.
Das Amtsgericht hat der Antragstellerin – unter Berücksichtigung des mit den Jugendamtsurkunden titulierten Unterhalts – je Kind Elementarunterhaltsansprüche für die Zeit von Mai 2014 bis einschließlich Juli 2015 in Höhe monatlicher 1.006 EUR und ab August 2015 in Höhe monatlicher 1.025 EUR zuerkannt und das weitergehende Begehren der Antragstellerin zurückgewiesen. Die Aufwendungen für die Kinderfrau zählten nicht zum Bedarf der Kinder, sondern seien berufsbedingte Aufwendungen der Antragstellerin. Ein Anspruch auf Innenausgleich unter Gesamtschuldnern bestehe nicht, weil für die Zeit nach der Trennung eine gemeinsame Beauftragung der Kinderfrau durch beide Beteiligte nicht ersichtlich sei.
Auf die Beschwerden beider Beteiligter...