Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
Erneut: Problematik der Wohngeldvorauszahlungsverpflichtung im Konkursfall eines Eigentümers (einfache Konkursforderung/Vorabbefriedigung durch den Konkursverwalter als Masseverbindlichkeit?)
Rückwirkung des Wirtschaftsplangenehmigungsbeschlusses?
Fortgeltung des Wirtschaftsplans über das Wirtschaftsjahr hinaus u.U. auch durch jahrelange Übung in der Gemeinschaft
Normenkette
§ 16 Abs. 2 WEG, § 28 WEG, § 3 KO, § 57 KO, § 134 BGB
Kommentar
1. Im vorliegenden Fall kam es Ende April 1994 zum Konkurs über das Vermögen eines Eigentümers. Die monatlichen Wohngeldvorauszahlungen in 1993 wurden nach genehmigtem Wirtschaftsplan in festgelegter Höhe vom Gemeinschuldner bezahlt, nicht mehr allerdings für die Monate Januar bis April 1994. Anfang Mai 94 wurde die Jahresabrechnung 1993 einstimmig genehmigt, gleichzeitig auch der Wirtschaftsplan für 1994 "in vorgelegter Form unter Beibehaltung der derzeitigen monatlichen Wohngeldbeträge"; darüber hinaus wurde beschlossen, "dass die anteilig von jedem Eigentümer aus Wirtschaftsplänen zu zahlenden Wohngelder mit dem Beschluss über den Wirtschaftsplan in einer Summe fällig werden".
2. Rückständige Wohngeldforderungen einer Gemeinschaft, die bis zum Tage der Konkurseröffnung entstanden waren, sind Konkursforderungen, die von der Gemeinschaft als Konkursgläubigerin zur Tabelle anzumelden sind (quotenmäßige Verteilung im Rahmen gleichmäßiger Befriedigung aller Konkursgläubiger); der Konkursverwalter ist nicht verpflichtet/berechtigt, solche Forderungen vorab zu befriedigen. Etwas anderes gilt bei den nach Konkurseröffnung fällig werdenden Wohngeldzahlungsverpflichtungen; diese sind Masseverbindlichkeiten ( § 57 KO), unabhängig davon, ob man diese als Massekosten im Sinne von § 57 KO oder als Masseschulden ansieht. Vor Konkurseröffnung entstandene Wohngeldrückstände und damit einfache Konkursforderungen der Gemeinschaft können nicht dadurch zu Masseverbindlichkeiten werden, dass sie durch einen nach der Konkurseröffnung gefassten Eigentümerbeschluss fällig gestellt werden. Eine Gemeinschaft besitzt nicht die Befugnis, rückständige Wohngeldvorauszahlungen und damit einfache Konkursforderungen durch einen Eigentümerbeschluss nach der Konkurseröffnung in eine Masseverbindlichkeit umzuwandeln. Eine solche Befugnis wäre eine Privilegierung der Eigentümergemeinschaft im Konkurs des einzelnen Eigentümers und deshalb mit den vorgenannten konkursrechtlichen Maßstäben, insbesondere dem Gebot gleichmäßiger Gläubiger-Befriedigung aller angemeldeten Forderungen nicht zu vereinbaren; ein gleichwohl mit der dargestellten Zielrichtung gefasster Beschluss verstieße gegen das gesetzliche Verbot und wäre unwirksam, ohne dass dazu ein gerichtliches Beschlussanfechtungsverfahren geführt werden müsste ( § 134 BGB).
3. Die Beschlussfassung der Gemeinschaft zur Genehmigung des Wirtschaftsplans 1994 (Beschlussfassung Anfang Mai 1994) begründet keine Zahlungsverpflichtungen des Gemeinschuldners hinsichtlich der Wohngeldvorschüsse für die Monate Januar bis April 1994, auch wenn der Beschluss über den Wirtschaftsplan regelmäßig eine ausreichende Grundlage für die entsprechende Zahlungsverpflichtung der Wohnungseigentümer bildet. Die Entscheidung der Gemeinschaft und damit die Geltungsgrundlage der Vorschusszahlungen wurde erst zu einem Zeitpunkt wirksam, als der Konkurs über das Vermögen des Gemeinschuldners eröffnet und der Antragsgegner (Konkursverwalter) an dessen Stelle getreten war (vgl. § 864 Abs. 2 ZPO, § 6 KO). Erst nach der Beschlussfassung fällige Vorauszahlungen treffen den Konkursverwalter. Dem Genehmigungsbeschluss Anfang Mai 1994 über den Wirtschaftsplan 1994 kann keine rückwirkende Geltung für die Monate Januar bis April beigemessen werden, da Vorauszahlungsverpflichtungen erst durch diesen Beschluss begründet werden. Im Streitfall war nicht ersichtlich, dass mit dem Beschluss auch eine Rückwirkung erfolgen sollte.
4.Die Fortgeltung eines Wirtschaftsplans über ein Geschäftsjahr hinaus kann in der Teilungserklärung oder durch gesonderte Vereinbarung der Eigentümer vorgesehen sein. Von einer Fortgeltung ist damit nur auszugehen, wenn die Teilungserklärung dies vorsieht und eine Beschlussfassung dieses Inhalts erfolgte. Insoweit muss das Landgericht noch weitere Feststellungen zum Beschluss über den Wirtschaftsplan für 1993 treffen (Zurückverweisung). Von einer stillschweigenden Fortgeltung kann insoweit nicht ohne weiteres gesprochen werden. Zunächst gilt ein Wirtschaftsplan ausschl. für das betreffende Wirtschaftsjahr, auf das er bezogen ist. Vorschusszahlungen für ein folgendes Wirtschaftsjahr setzen einen neuen Plan und dessen Genehmigung durch die Gemeinschaft für dieses Jahr voraus. Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht ausnahmslos. Eine Gemeinschaft kann nach h. R. M. generell oder auch für den Einzelfall die Fortgeltung eines bestimmten Wirtschaftsplans bis zum Inkrafttreten eines neuen Wirtschaftsplans beschließen. Spätestens mit der bestandskräftigen Abrechnung des Wirtschaftsjahres ist...