Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
Keine anwaltliche Erhöhungsgebühr bei Vertretung eines in gewillkürter Prozessstandschaft auftretenden Verwalters
Normenkette
§ 47 WEG, § 48 WEG, § 6 Abs. 1 BRAGO
Kommentar
1. Nach Zurücknahme eines Rechtsmittels hat das Beschwerdegericht gem. § 47 WEG nach billigem Ermessen über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden. Grundsätzlich hat hier derjenige, der ein Rechtsmittel zurücknimmt, die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu tragen (h.M.). Ausnahmsweise kann jedoch von der Anordnung einer Kostenerstattung abgesehen werden, wenn zum einen das Rechtsmittel ausdrücklich nur "zur Fristwahrung"eingelegt war oder wenn die Zurücknahme auf der vom Gericht vermittelten Einsicht in die Aussichtslosigkeit des Rechtsmittels beruht (ständige Rechtsprechung des BayObLG).
2. Im vorliegenden Fall erfolgte die Zurücknahme alsbald nach Hinweisen des Gerichts, allerdings im Anschluss an eine mündliche Verhandlung, bei der der Antragsgegner selbst nicht anwesend war. Sein anwaltlicher Vertreter hatte erklärt, er müsse zunächst mit dem Antragsgegner Rücksprache nehmen, ob das Rechtsmittel zurückgenommen werde. Dies geschah dann etwa 10 Tage nach der Verhandlung. Die Antragstellerin vertrat die Auffassung, eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass derjenige, der sein Rechtsmittel zurücknehme, die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu tragen habe, komme nur dann in Betracht, wenn der Rechtsmittelführer sein Rechtsmittel vor der mündlichen Verhandlung zurücknehme, obwohl nach Auffassung des Beschwerdegerichts hinreichende Erfolgsaussichten für das Rechtsmittel bestanden hätten. Diese Auffassung steht im Gegensatz zur ständigen Rechtsprechung des Senats; ein Anlass, diese Rechtsprechung erneut zu überprüfen, besteht nicht. Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch nicht aus der antragstellerseits in Bezug genommenen Senatsentscheidung vom 19. 9. 1996 (WE 1997, 238). Der Senat hat dort entschieden, dass die Zurücknahme eines Rechtsmittels nach mehr als 3-jähriger Dauer des Beschwerdeverfahrens und nach zwei mündlichen Verhandlungen keine Ausnahme mehr vom vorerwähnten Grundsatz rechtfertige, also dort auch zu Recht außergerichtliche Kostenerstattung angeordnet worden sei.
3. Die anwaltliche Erhöhungsgebühr bei Vertretung mehrerer Personen ( § 6 Abs. 1 BRAGO) kommt nicht zum Tragen, wenn der Verwalter einen Anspruch der Wohnungseigentümer in gewillkürter Prozessstandschaft geltend macht (h.M.).
4. Auch außergerichtliche Kostenerstattung im Rechtsbeschwerdeverfahren.
Link zur Entscheidung
( BayObLG, Beschluss vom 30.07.1998, 2Z BR 106/98)
zu Gruppe 7: Gerichtliches Verfahren
Anmerkung:
Aus meiner Sicht ist es nach wie vor höchst bedauerlich, dass der Senat auch in diesem Fall "keinen Anlass gesehen hat, die bisherige Rechtsprechung erneut zu überprüfen". Im streitigen Zivilprozess hat bekanntlich die unterlegene Partei sämtliche Kosten, also auch die des eigenen und des gegnerischen Anwalts zu tragen; gleiches gilt grundsätzlich bei Rücknahme einer Berufung oder Revision. Meines Erachtens sollten diese Grundsätze des zivilprozessualen Kostenentscheidungsrechts auch auf das streitige WEG-Verfahren stärker als bisher in die dortigen Kosten-Ermessensentscheidungen nach § 47 WEG Eingang finden.
Da im WEG-Verfahren allerdings nur eine sehr kurze (2-wöchige) Rechtsmittelfrist besteht, muss notgedrungenerweise häufig ein Rechtsmittel ausdrücklich nur zur Fristwahrung eingelegt werden (meist verbunden mit der kollegialen Bitte an den gegnerischen Vertreter/Anwalt, sich einstweilen noch nicht in der Rechtsmittelinstanz zu bestellen). Wird hier nach angemessener, d.h. selbst bestimmter oder vom Gericht gesetzter Frist das Rechtsmittel zurückgenommen, erscheint es nach wie vor sachgerecht, insoweit im Rahmen der Kostenermessensentscheidung des Wohnungseigentumsgerichts bei abschließender Kostenentscheidung von außergerichtlicher Kostenerstattung zu Lasten des Rechtsmittelführers Abstand zu nehmen.
Gleiches Ergebnis jedoch in der Kostenentscheidung mehr oder weniger festzuschreiben bei "vom Gericht vermittelter Einsicht in die Aussichtslosigkeit eines Rechtsmittels", halte ich nach wie vor dann für unangemessen, wenn hier ein Rechtsmittelführer sein Rechtsmittel nicht auf telefonischen oder schriftlichen Hinweis des Rechtsmittelgerichts unverzüglich, d.h. auf jeden Fall noch vor einer mündlichen Verhandlung in der Rechtsmittelinstanz und vor begründeter Schriftsatzerwiderung durch die Gegenseite zurücknimmt. Ist erst einmal die Gegenseite in mündlicher Verhandlung anwaltlich beraten und vertreten und gab es - wie üblich - vor der Verhandlung u.U. bereits umfangreichen Schriftsatzvortrag, kann man m.E. nicht bzw. nicht mehr von (alsbaldiger) "Einsicht" eines Rechtsmittelführers sprechen und ihn im Rahmen der Kostenentscheidung "belohnen". An sich "belohnt" sich hier in erster Linie das Rechtsmittelgericht selbst, da es sich eine begründete Sachentscheidung erspart. "Bestraft" w...