Leitsatz

Bei Bestehen von Interessengegensätzen aufseiten der Wohnungseigentümer sind im Einzelfall die Kosten eines eigenen Anwalts neben dem durch die Verwaltung beauftragten Anwalt erstattungsfähig.

 

Normenkette

§§ 49, 50 WEG; § 91 ZPO

 

Das Problem

Wohnungseigentümer W greift den Beschluss an, mit dem die Wohnungseigentümer eine Erhaltungsmaßnahme bestimmt haben. W meint, der Beschluss leide an von Verwalter V zu vertretenden Fehlern.

 

Die Entscheidung

  1. Das Landgericht sieht das auch so. Aus diesem Grund erklärt es den Beschluss für ungültig. Ferner meint das Landgericht, die Kosten des Rechtsstreits seien V aufzuerlegen. Eine fehlerhafte Erstellung der Abrechnung gehöre zu den Tatbeständen, die eine Kostenhaftung des Verwalters gem. § 49 Abs. 2 WEG auslösten (Hinweis unter anderem auf OLG Köln v. 24.8.2005, 16 Wx 80/05, NZM 2006 S. 66). Für die fehlerhafte Vorlage eines "Sanierungsbeschlusses" mit einem nicht "unbeträchtlichen" Volumen, der mindestens ebenso bedeutsam sei wie eine Abrechnung, müsse Entsprechendes gelten.
  2. V müsse in diesem Rahmen auch die Kosten der Anwälte der Beklagten B und B 1 tragen. § 50 WEG regle zwar, dass den Wohnungseigentümern zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendige Kosten zu erstatten sind, i.d.R. jedoch nur die Kosten eines Anwalts. Eine Ausnahme gelte jedoch, wie es in der genannten Vorschrift weiter heiße, "wenn … aus Gründen, die mit dem Gegenstand des Rechtsstreits zusammenhängen, eine Vertretung durch mehrere bevollmächtigte Rechtsanwälte geboten war". Diese Ausnahme liege vor. Es lägen Interessengegensätze vor, die Anlass gegeben hätten, einen eigenen Anwalt zu beauftragen und sich nicht von Anwälten vertreten zu lassen, die vom WEG-Verwalter beauftragt worden seien.
 

Kommentar

Anmerkung

Ich berichte die Entscheidung vor allem wegen der Frage, wann i.S.v. § 50 WEG ein Interessengegensatz vorliegt. Zwar berichtet die Entscheidung diesen gar nicht, es lohnt aber, darüber nachzudenken. Nach meiner Ansicht liegt eine "Gebotenheit" in folgenden Fällen vor:

  1. Gebotenheit ist vor allem anzunehmen, wenn sich die Interessen der Wohnungseigentümer überschneiden und unterschiedlich sind. Dieses können unter anderem Streitigkeiten sein, bei denen die Kosten oder die Haftung innerhalb der Wohnungseigentümer verschieden sind. Ferner kann Gebotenheit bei baulichen Veränderungen vorliegen oder wenn verschiedene klagende Wohnungseigentümer teilweise gleiche und teilweise verschiedene Beschlüsse anfechten.
  2. Gebotenheit ist auch dann anzunehmen vor, wenn ein gemeinsamer Prozessbevollmächtigter gegen widerstreitende Interessen i.S.v. § 43a Abs. 4 BRAO verstoßen würde oder wenn einen Wohnungseigentümer mit einem Rechtsanwalt ein besonderes Vertrauensverhältnis verbindet oder eine Abneigung trennt (das ist streitig) oder eine Sache besonders schwierig ist oder die Wohnungseigentümer an verschiedenen Orten wohnen.
  3. Unzureichend für eine Gebotenheit sollen die Zerstrittenheit der Wohnungseigentümer oder verschiedenes Vertrauen in einen Anwalt sein. Auch dann, wenn ein Wohnungseigentümer eine andere Rechtsauffassung vertritt als die übrigen Wohnungseigentümer, soll das nicht zur Gebotenheit führen.

Was ist für den Verwalter wichtig?

Es ist richtig, dem Verwalter die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen, wenn er seine gesetzlichen oder vertraglichen Pflichten verletzt hat. Denn in diesem Fall schuldet er Schadensersatz. Für Verwalter gilt daher, sich die gesetzlichen oder vertraglichen Pflichten bewusst zu machen und sich zu verdeutlichen, wie diese ordnungsgemäß erfüllt werden. Im Fall geht es um einen Beschluss, der sich mit der Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums befasst (die Einzelheiten werden vom Gericht leider nicht mitgeteilt). Hier gilt es für Verwalter auf vieles zu achten.

Checkliste: Vorbereitung und Durchführung einer Erhaltungsmaßnahme

  • Ist, ggf. auf Grundlage eines Sachverständigengutachtens, klar, welches Bauteil des gemeinschaftlichen Eigentums in welcher Art und welcher Weise zu erhalten ist?
  • Sind die notwendigen Mittel angemessen und ausreichend berechnet worden?
  • Stehen für die beabsichtigte Maßnahme ausreichende Mittel (Instandhaltungsrückstellung, Sonderumlage, Darlehen) zur Verfügung?
  • Erhaltungsbeschluss:

    • Sind alle relevanten Unterlagen allen Wohnungseigentümern bekannt?
    • Ist ordnungsmäßig zur Versammlung geladen worden?
    • Ist der Erhaltungsbeschluss ausreichend bestimmt formuliert?
    • Ist der Verwalter für entsprechende Verträge ausreichend ermächtigt?
    • Ist der Fall einer etwaigen Anfechtung beachtet worden? Ist der Verwalter ggf. angewiesen worden, den Beschluss erst mit Bestandskraft durchzuführen bzw. nach Abschluss einer erfolglosen Anfechtungsklage?
  • Sind Mieter ausreichend durch Informationen eingebunden?
  • Wer nimmt die Bauleistung technisch, wer nimmt sie rechtlich ab?
  • Ist, z.B. wegen einer Rüstung, mit der Versicherung Kontakt aufzunehmen?
  • Liegen ggf. notwendige behördliche Genehmigungen vor?
  • Gibt es zu beachtende Beeinträchtigungen des Nachbargrundst...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?