Alexander C. Blankenstein
Leitsatz
§ 16 Abs. 3 WEG begründet nicht die Befugnis, einen Wohnungseigentümer, der nach einer bestehenden Vereinbarung von der Tragung bestimmter Kosten oder der Kostentragungspflicht insgesamt befreit ist, durch Beschluss erstmals an den Kosten zu beteiligen.
Fakten:
In der Wohnanlage ist ein noch nicht ausgebauter Dachraum vorhanden. In der Gemeinschaftsordnung ist geregelt, dass der jeweilige Eigentümer erst nach Ausbau dieses Raums zur Tragung der gemeinschaftlichen Kosten und Lasten verpflichtet sein soll. Demgegenüber haben die Wohnungseigentümer mehrheitlich beschlossen, den Dachraumeigentümer unabhängig von einem konketen Ausbau zur Kostentragung heranzuziehen. Der zum Zeitpunkt der Beschlussfassung in Grundbuch eingetragene Eigentümer des Dachraums hatte den Beschluss angefochten und die Klage verbunden mit dem Antrag, festzustellen, dass der Beschluss nichtig sei. Die Klage hatte Erfolg.
Der Beschluss ist insbesondere nicht mehr von der Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer gemäß § 16 Abs. 3 WEG gedeckt und daher nichtig. § 16 Abs. 3 WEG eröffnet den Wohnungseigentümern bei den in der Vorschrift bezeichneten Betriebs- und Verwaltungskosten die Möglichkeit, auch einen im Wege der Vereinbarung festgelegten Umlageschlüssel durch Mehrheitsbeschluss zu ändern. Allerdings räumt § 16 Abs. 3 WEG nur die Kompetenz ein, im Rahmen einer dem Grunde nach bereits bestehenden Kostentragungsverpflichtung einen anderen Verteilungsmaßstab zu wählen. Die Bestimmung begründet hingegen nicht die Befugnis, einen Wohnungseigentümer, der nach einer bestehenden Vereinbarung von der Tragung bestimmter Kosten oder der Kostentragungspflicht insgesamt befreit ist, durch Beschluss erstmals an den Kosten zu beteiligen.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil vom 01.06.2012, V ZR 225/11BGH, Urteil vom 1.6.2012 – V ZR 225/11
Fazit:
Dies folgt bereits aus dem Wortlaut von § 16 Abs. 3 WEG. Danach können die Wohnungseigentümer "abweichend von Absatz 2" durch Stimmenmehrheit beschließen, ob sie eine verursachungs- oder verbrauchsabhängige Abrechnung einführen oder nach einem "anderen Maßstab" abrechnen wollen. Mit der Bezugnahme auf § 16 Abs. 2 WEG, wonach die Wohnungseigentümer die Lasten und Kosten nach dem Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile tragen, knüpft die Norm an eine dem Grunde nach bestehende Kostentragungspflicht an und begründet lediglich die Möglichkeit zur Veränderung des Kostenverteilungsschlüssels. Die erstmalige Begründung einer Kostentragungspflicht unter Aufhebung einer vereinbarten Kostenbefreiung stellt jedoch keine Veränderung des Kostenverteilungsmaßstabs dar, sondern eine Erweiterung des Kreises der Kostenschuldner und wird von der Regelung nicht erfasst.