Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 25 WEG, § 242 BGB
Kommentar
1. Ein Eigentümer war unfallbedingt schwerbehindert; auch seine Ehefrau soll aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage gewesen sein, an Eigentümerversammlungen teilzunehmen.
In der Teilungserklärung war - wie häufig - die vertretungseinschränkende Vereinbarung getroffen, "dass sich ein Eigentümer nur durch den Verwalter, seinen Ehegatten oder einen anderen Eigentümer aufgrund schriftlicher Vollmacht vertreten lassen könne". In der Gemeinschaft bestand unter Eigentümern erheblicher Streit, ein neuer Verwalter war i.Ü. nach Amtsniederlegung des bisherigen Verwalters erst kurz zuvor bestellt worden.
Über einstimmigen Geschäftsordnungsbeschluss schlossen die Eigentümer die Teilnahme eines Rechtsanwalts für den schwer behinderten Eigentümer an der Versammlung aus. Alle Beschlüsse wurden daraufhin von diesem Eigentümer angefochten, in allen Instanzen mit Erfolg.
2. Nach herrschender Rechtsmeinung ist davon auszugehen, dass eine in der Teilungserklärung enthaltene Beschränkung der Vertretung nur durch Ehegatten, den Verwalter oder einen anderen Wohnungseigentümer der Gemeinschaft grundsätzlich zulässig ist, dass es aber im Einzelfall aufgrund besonderer Umstände der Eigentümergemeinschaft nach Treu und Glauben ( § 242 BGB) verwehrt sein kann, sich auf eine solche einschränkende Regelung der Teilungserklärung zu berufen, Ausnahmen also zuzulassen sind (vgl. BGHZ 99, 90; WE 93, 165; a.A. Weitnauer/Lüke, 8. Aufl., Rn. 16 zu § 25). Von einer solchen Ausnahme ist vorliegend auszugehen, wenn auch die Ehefrau zur Vertretung aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage ist, die Wohnungseigentümer mit den übrigen Mitgliedern der Gemeinschaft völlig zerstritten sind und erst unmittelbar vor der Versammlung ein neuer Verwalter bestellt worden ist, den der verhinderte Eigentümer (noch) nicht kennt. Dann muss eine Eigentümerseite die Möglichkeit haben, sich anderweit durch Dritte vertreten zu lassen. Ein Eigentümer hat Anspruch darauf, dass er sich jedenfalls von einer ihm "vertrauten"Person oder Verwaltungsgesellschaft vertreten lassen kann und nicht gezwungen ist, eine dritte Person, die ihm völlig fremd ist, mit seiner Vertretung zu beauftragen. Allerdings wird für zukünftige Versammlungen die Beauftragung des Verwalters mit seiner Vertretung nicht ohne weiteres für ihn unzumutbar sein, wenn keine weiteren besonderen Umstände hinzutreten, die auch insoweit einer Vertretung durch den Verwalter entgegenstehen.
3. Obgleich bis auf eine Ausnahme alle Beschlüsse einstimmig gefasst wurden, ist nicht auszuschließen, dass es bei zulässiger Vertretung des verhinderten Eigentümers in dem einen oder anderen Punkt zu einem anders lautenden Beschluss gekommen wäre. Im vorliegenden Fall konnte man also nicht davon ausgehen, dass zur Überzeugung des Gerichts feststand, dass die Beschlüsse auch bei einer Teilnahme des Vertreters (Rechtsanwaltes) an der Versammlung genauso gefasst worden wären (vgl. hierzu auch OLG Düsseldorf, WE 98, 308 m.w.N.). Von fehlender Kausalität einer Stimmausübung auf das Abstimmungsergebnis ist nur auszugehen, wenn bei vernünftiger Betrachtung unter keinen Umständen in Betracht kommen kann, dass das Beschlussergebnis anders ausgefallen wäre; reine Unwahrscheinlichkeit reicht als Argument nicht aus.
4. Keine außergerichtliche Kostenerstattung bei Wert des Beschwerdegegenstandes von DM 6.000.
Link zur Entscheidung
( OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.10.1998, 3 Wx 332/98)
zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer
Anmerkung:
Diese Ausnahmeentscheidung nach Grundsätzen von Treu und Glauben sollte die absolute Ausnahme bleiben, erscheint mir allerdings im vorliegenden Fall bei diesem Einzel-Sachverhalt (auch kranker Ehepartner, noch unbekannter neuer Verwalter und offensichtlich in Gegnerschaft stehende Eigentümer) gerade noch vertretbar. Allerdings hätte der Senat auch auf die Möglichkeit hinweisen können und müssen, dass verhinderte Eigentümer eben auch bei entsprechender einschränkender Vertretungs-Vereinbarung Miteigentümern oder Verwaltern Stimmrechtsweisungen erteilen könnten, die m.E. dann auch grundsätzlich bei den betreffenden Stimmauszählungen mitzuberücksichtigen sind, selbst wenn neuerdings vereinzelt - sicher zu Recht- die Auffassung vertreten wird, dass ein Vollmachtnehmer im Verhältnis zur Gemeinschaft nicht verpflichtet sei, eine Vertretungsstimme auszuüben und damit eine Stimmrechtsweisung zu "vollziehen" und in die Auszählung miteinzubringen.