Dr. Rocco Jula, Kathleen Kunst
Ein Einwand führt vor allem bei Bürgschaften und Sicherungsabtretungen immer wieder zu Erfolg: Die Sicherheitenbestellung sei wegen Sittenwidrigkeit gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Ein Rechtsgeschäft ist dann sittenwidrig, wenn es gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Das ist sehr vage, doch hat die Rechtsprechung nach und nach Konkretisierungen vorgenommen, die Ihnen als Sicherheitsleistendem eine bessere Argumentationshilfe vor Gericht bieten.
5.1 Einwände bei der Bürgschaft
5.1.1 Finanzielle Überforderung und persönliche Verbundenheit
Nicht selten kommt es vor, dass Ehegatten, Lebensgefährten, nahe Verwandte und enge Freunde von Gesellschaftern Bürgschaftsverpflichtungen übernehmen, die sie selbst finanziell überfordern, die sie aber dennoch eingehen, um dem Gesellschafter zu helfen. Bei einer übernommenen Bürgschaft für die Verbindlichkeiten einer GmbH ist in solchen Fällen insbesondere der Einwand aussichtsreich, die Bürgschaft überfordere die finanzielle Leistungsfähigkeit des Bürgen erheblich. Dies soll der Fall sein, wenn zwischen der Zahlungspflicht, die der Bürge übernommen hat, und seiner absehbaren wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ein krasses Missverhältnis besteht. Ein Missverhältnis dieser Art liegt auf alle Fälle vor, wenn das Vermögen und das pfändbare Einkommen des Bürgen nicht einmal dazu ausreicht, die laufenden Zinsen der Schuld zu tilgen. Dann wird die Eingehung der Bürgschaftsschuld ausschließlich aus emotionaler Verbundenheit vermutet. Das ist praktisch bedeutsam, weil Bankmitarbeiter bei einer Kreditvergabe Familienangehörige von Schuldnern oft dazu drängen, Bürgschaftsverpflichtungen einzugehen, die sie nie werden erfüllen können.
Zusätzlich kommt als Merkmal der Sittenwidrigkeit hinzu, wenn der Gläubiger oder der für ihn handelnde Mitarbeiter das Bürgschaftsrisiko in unrealistischer Weise beschönigt.
Grundsätze gelten nicht für Bürgschaften von GmbH-Gesellschaftern
Der Gesellschafter, der für eine Verbindlichkeit der Gesellschaft bürgt, kann die Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) nicht auslösen, indem er die finanzielle Überforderung oder seine emotionale Verbundenheit mit der Gesellschaft oder einem Mitgesellschafter einwendet.
Hierzu gibt es zwei Ausnahmen:
- Der Gesellschafter hält nur einen geringen Anteil am Stammkapital von bis zu 10 %, eine sog. Bagatell- oder Splitterbeteiligung.
- Für das Kreditinstitut ist klar erkennbar, dass der bürgende Gesellschafter sich lediglich aus persönlicher Verbundenheit mit einer die GmbH wirtschaftlich beherrschenden Person verbürgt. Das betrifft in der Regel Gesellschafter, die in Strohmannfunktion auftreten. Dass die Bank hiervon weiß oder dies erkennt, dürfte in der Praxis jedoch selten vorkommen.
5.1.2 AGB-rechtliche Unwirksamkeit bei Globalbürgschaften
Ein weiterer Einwand gegen eine Bürgschaft kann auf die Unwirksamkeit nach AGB-Recht gestützt sein.
Soll z. B. eine Bürgschaft per AGB
- für sämtliche gegenwärtigen und künftigen Forderungen des Gläubigers gegen den Hauptschuldner aus der zwischen ihnen bestehenden Geschäftsverbindung oder
- für alle im Zeitpunkt der Übernahme bestehenden Verbindlichkeiten
Grundsätze gelten nicht für Gesellschafter und Geschäftsführer
Da Gesellschafter und Geschäftsführer eine Erweiterung der Verbindlichkeiten der Gesellschaft (=Hauptschuldner) verhindern und damit das Risiko steuern und begrenzen können, sollen die Einschränkungen bei der Haftung für künftige Verbindlichkeiten nicht gelten. Eine Ausnahme ist nur für Minderheitsgesellschafter vorgesehen. Strohmänner hingegen können eine Globalbürgschaft für die Verbindlichkeiten ihrer Gesellschaft übernehmen, wenn ihnen die Mehrheit der Anteile gehören.
Globalzweckerklärungen, die sich auf die zum Zeitpunkt der Übernahme der Bürgschaft bestehenden Verbindlichkeiten beziehen, sind auch bei einem Minderheitsgesellschafter wirksam, da diese für ihn einsehbar und damit transparent sind.
5.2 Einwand bei Sicherungsabtretung und Sicherungsübereignung
Bei der Sicherungsabtretung wie auch bei der Sicherungsübereignung besteht der aussichtsreichste Einwand darin, demjenigen, der die Sicherheit geleistet hat, z. B. in Form einer Globalzession, sei dadurch seine wirtschaftliche Bewegungsfreiheit (fast) total entzogen worden.
Noch gewahrt ist die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit des Sicherheitsleistenden, wenn
- ihm für die von ihm gestellte Sicherheit Gegenwerte zufließen, mit denen er sein Geschäft weiterbetreiben kann, namentlich in Form von Geldmitteln,
- er, etwa aufgrund einer Einwilligung der Bank, über die zur Sicherung übereigneten Gegenstände und über die zur Sicherung abgetretenen Forderungen in seinem Geschäftsbetrieb weiterhin verfügen kann und
- er in seiner Entscheidung nicht beeinträchtigt wird, durch freiwillige Leistungen auch andere Gläubiger zu befriedigen.
Zwar ist das Recht von Banken anerkannt, sich gegen Risiken an dem Vermögen ihrer Kunden abzusichern. Geht die "Knebelung" des Kunden der Bank darüber hinaus, wird er mit dem Einwand der Nichtigkeit wegen Sittenwidrigkeit durchdringen.
Zu viel Überwachung durch die Bank
Ein besonders krasser, jedoch in der P...