Leitsatz
Hat sich ein Arbeitnehmer mit einer Chinesin verheiratet, genügen dadurch entstehende subjektive Befürchtungen der Arbeitgeberin im Hinblick auf Industriespionage nicht als Rechtfertigung für eine Kündigung.
Sachverhalt
Ein Ingenieur war seit Mai 2006 als Leiharbeitnehmer bei einem Untenehmen eingesetzt, das die Bundeswehr mit Material beliefert. Seit dem Jahr 2007 besuchte der Ingenieur regelmäßig seine in China lebende Freundin. Die Sicherheitsbeauftragte des Unternehmens, die er vorschriftsmäßig über die Besuche informierte, hatte keine Einwände. Im November 2009 bot das Unternehmen dem Ingenieur eine unmittelbare Festanstellung an. Wegen der zum Jahresende in China geplanten Hochzeit mit seiner Freundin wurde die Festanstellung einvernehmlich auf den 1.2.2010 gelegt. Nachdem der Ingenieur überraschend zum 5.3.2010 von seiner Arbeitsverpflichtung frei gestellt wurde, kündigte der Arbeitgeber im Juni das Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen. Zuvor war dem Arbeitnehmer mitgeteilt worden, wegen seiner intensiven familiären Bindungen nach China stelle er ein Sicherheitsrisiko für das Untenehmen dar.
Mit seiner Kündigungsschutzklage scheiterte der Ingenieur beim Arbeitsgericht. Die subjektive Befürchtung der Arbeitgeberin im Hinblick auf Industriespionage genüge als Rechtfertigung für die Kündigung. Wegen der nicht mehr als 6 Monate dauernden Betriebszugehörigkeit finde das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung, sodass weitere Kündigungsgründe nicht erforderlich seien.
In dieser Auffassung das Arbeitsgerichts sah das LAG eine grobe Verkennung der Rechtslage. Die Gesamtentwicklung zeige, dass die Eheschließung des Ingenieurs der wahre Grund für die ausgesprochene Kündigung sei. Dies bedeute aber eine grobe Verletzung der grundrechtlich geschützten Eheschließungsfreiheit.
Die seitens der Arbeitgeberin genannten betriebsbedingten Gründe waren nach Auffassung des LAG nur vorgeschoben. Der Kläger sei von der Arbeitgeberin in Kenntnis seiner chinesischen Ehefrau übernommen worden. Seine privaten Bindungen nach China hätten sich nach der Übernahme in das Arbeitsverhältnis nicht wesentlich geändert. Die Kündigung sei daher grob willkürlich und widersprüchlich. Der Ingenieur sah das Verhältnis zur Arbeitgeberin infolge der gerichtlichen Auseinandersetzung als zerrüttet an und stellte beim LAG den Auflösungsantrag. Diesem gab das LAG statt und gewährte dem Ingenieur im Hinblick auf das grob sittenwidrige Verhalten der Arbeitgeberin eine Abfindung von 7 Monatsgehältern.
Link zur Entscheidung
LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 22.06.2011, 3 Sa 95/11.