Leitsatz

Der Dauernutzungsvertrag einer Wohnungsgenossenschaft ist ein Mietvertrag im Sinne des BGB. Wenn darin das ordentliche Kündigungsrecht des Mitglieds in der Weise eingeschränkt worden ist, dass es nur in besonderen Ausnahmefällen ausgeübt werden darf, d. h. wenn wichtige berechtigte Interessen der Genossenschaft eine Beendigung des Mietverhältnisses notwendig machen, dann geht diese Rechtsstellung auf einen Erwerber der Wohnung gemäß § 571 BGB a. F. (jetzt: § 566 BGB) über.

Durch den Übergang der Kündigungsbeschränkung wird das Kündigungsrecht aus § 564b Abs. 4 BGB a. F. (jetzt: § 573a Abs. 1 BGB) ausgeschlossen. Die Kündigung wegen Eigenbedarfs kann nur dann erfolgen, wenn die dafür geltend gemachten Gründe ausnahmsweise die verschärften Voraussetzungen eines wichtigen berechtigten Interesses erfüllen, das die Beendigung des Mietverhältnisses notwendig macht.

 

Sachverhalt

Die Beklagten waren Mitglieder einer Wohnungsbaugenossenschaft. Die Satzung enthielt u. a. die Regelung, dass die Überlassung einer Genossenschaftswohnung ein dauerndes Nutzungsrecht des Mitglieds begründet und das Nutzungsverhältnis während des Bestehens der Mitgliedschaft nur unter den im Nutzungsvertrag festgesetzten Bedingungen aufgehoben werden kann.

Die eG überließ den Beklagten aufgrund eines schriftlichen Dauernutzungsvertrags eine Wohnung in einem Zweifamilienhaus. Das Nutzungsverhältnis wurde für unbestimmte Zeit abgeschlossen und konnte nur nach Maßgabe der Allgemeinen Vertragsbestimmungen (AVB) gekündigt werden. Diese sahen u. a. vor, dass das Recht zur Nutzung der Genossenschaftswohnung an die Mitgliedschaft bei der Genossenschaft gebunden ist. Für den Fall, dass das Mitglied zu Lebzeiten aus der Genossenschaft ausscheidet, war die eG berechtigt, das Nutzungsverhältnis zum nächst zulässigen Termin unter Beachtung der gesetzlichen Bestimmungen zu kündigen. Außerdem war geregelt, dass die Genossenschaft während des Fortbestehens der Mitgliedschaft von sich aus das Nutzungsverhältnis grundsätzlich nicht auflösen wird. Sie konnte jedoch in besonderen Ausnahmefällen das Nutzungsverhältnis schriftlich unter Einhaltung der gesetzlichen Fristen kündigen, wenn wichtige berechtigte Interessen der Genossenschaft eine Beendigung des Nutzungsverhältnisses notwendig machen.

Die eG verkaufte das Eigentum an dem betreffenden Hausgrundstück an die Kläger des Rechtsstreits. Die Kläger kündigten das Vertragsverhältnis über die Wohnung der Beklagten wegen Eigenbedarfs und verlangten Räumung und Herausgabe der Wohnung.

 

Entscheidung

Das OLG Karlsruhe hat in seiner Begründung zunächst ausgeführt, dass auf einen Dauernutzungsvertrag Mietrecht Anwendung findet. Die vom Begriff "Mietvertrag" abweichende Bezeichnung hat danach keine rechtliche Bedeutung. Die einzige grundlegende Abweichung von einem gewöhnlichen Wohnraummietvertrag liegt nach Auffassung des Gerichts in der Bindung des Nutzungsrechts an die Mitgliedschaft bei der Genossenschaft. Dennoch unterscheide sich der Dauernutzungsvertrag nicht grundlegend von einem Mietverhältnis.

Das Gericht hat weiter ausgeführt, dass nach § 564b Abs. 1 BGB a. F. (jetzt: § 573 Abs. 1 BGB) jedes berechtigte, vom Gesetz nicht ausdrücklich ausgeschlossene Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses die Kündigung rechtfertigt. Gemäß § 564b Abs. 4 BGB a. F. (bzw. § 573a Abs. 1 BGB n. F.) kann das Mietverhältnis über die dort beschriebenen Wohnräume auch ohne die Voraussetzungen des § 564b Abs. 1 BGB a. F. gekündigt werden. Demgegenüber sähen die Allgemeinen Vertragsbestimmungen im vorliegenden Fall die Unauflöslichkeit des Mietverhältnisses durch ordentliche Kündigung während der Mitgliedschaft des Mieters in der Genossenschaft als Regelfall vor, der nur in besonderen Ausnahmefällen eine Kündigung zulasse, wenn wichtige berechtigte Interessen der Genossenschaft eine Beendigung notwendig machten. Hierdurch würden die Möglichkeiten des Vermieters, das Mietverhältnis von sich aus aufzulösen, ohne dass eine Vertragsverletzung des Mieters vorliegt, erheblich eingeschränkt. Dies geschehe einmal dadurch, dass die ordentliche Kündigung als besonderer Ausnahmefall dargestellt wird. Zum anderen sei ein wichtiges berechtigtes Interesse erforderlich, während nach § 564b Abs. 1 BGB a. F. jedes vernünftige, billigenswerte Erlangungsinteresse genüge. Schließlich müsse das berechtigte Interesse die Kündigung notwendig machen, diese also den einzig zumutbaren Weg darstellen, wie den berechtigten Belangen des Vermieters Genüge getan werden kann.

Nach der Urteilsbegründung müssen die Kläger die Kündigungsbeschränkung als Erwerber gemäß § 571 Abs. 1 BGB a. F. (jetzt: § 566 BGB) gegen sich gelten lassen ("Kauf bricht nicht Miete"). Diese Beschränkung ist nach den Ausführungen des OLG Karlsruhe eine allgemeine Abrede, die nicht an die Person des Vermieters gebunden ist. Aus den AVB ergebe sich kein hinreichender Anhaltspunkt, dass diese Verpflichtung von den Vertragsschließenden anders verstanden worden sei. Der Wo...

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