Leitsatz

Die Erben können ein Mietverhältnis über eine zum Nachlass gehörende Sache wirksam mit Stimmmehrheit kündigen, wenn sich die Kündigung als Maßnahme ordnungsgemäßer Nachlassverwaltung darstellt.

 

Sachverhalt

Zu DDR-Zeiten vermietete der Erblasser ein Grundstück für monatlich umgerechnet 204,13 EUR. Er wurde von der Erbengemeinschaft E, B und U beerbt. E und B bemühten sich in der Folgezeit um eine Erhöhung des Mietzinses. Sodann kündigte Rechtsanwältin R das Mietverhältnis "im Namen der Erbengemeinschaft nach E" zum 31.05.2002 und widersprach einer Fortsetzung zu den bisherigen Konditionen. Mit notariellem Vertrag verkauften die drei Erben das Grundstück 2003 an die Klägerin. Nachdem der Beklagte nunmehr einen Mietzins von monatlich 4.078,00 EUR anbot, kündigte er das Grundstück zum 31.12.2003 und gab es am 05.01.2004 zurück.

Die Klägerin macht mit ihrer Klage für die Zeit vom 04.07.2003 bis 31.12.2003 Nutzungsentschdigung nebst Zinsen i.H.v. 23.778,23 EUR geltend. Das LG gab der Klage statt, das Berufungsgericht wies die Klage ab; die Revision hat Erfolg.

 

Entscheidung

Die Kündigung des Mietverhältnisses stellt eine Verfügung nach § 2040 Abs. 1 BGB dar. Nach Ansicht des Senats für Landwirtschaftsachen (LwZR 10/05, Urteil v. 28.04.2006, FamRZ 2006, 1026) stellt die Kündigung eines Pachtvertrages keine Verfügung über das verpachtete Grundstück, sondern eine Verfügung über die Rechte aus dem Pachtvertrag, wie die Pachtzinsforderung. Durch die Kündigung werde dieses Recht aufgehoben.

Gem. § 2038 BGB - der in diesem Fall den § 2040 BGB verdrängt - war zur Wirksamkeit der Kündigung zum 31.05.2002 nicht die gemeinschaftliche Erklärung aller Miterben erforderlich. Bereits mit Urteil v. 28.09.2005 hat der IV. Senat des BGH (BGHZ 164, 181, 184 f.) klargestellt, dass unter dem Begriff der gemeinschaftlichen Verwaltung des Nachlasses nach § 2038 Abs. 1 BGB alle Maßregeln zur Verwahrung, Sicherung, Erhaltung und Vermehrung sowie zur Gewinnung der Nutzung und Bestreitung der laufenden Verbindlichkeiten fallen. Bei Verfügungen über Nachlassgegenstände besteht nunmehr eine Mitwirkungspflicht hinsichtlich einer solchen Verwaltungsmaßnahme, wenn deren Ordnungsmäßigkeit sowie Erforderlichkeit durch besondere Umstände belegt sind. In der Literatur werden hinsichtlich des Verhältnisses von § 2038 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 BGB zu § 2040 BGB diverse abweichende Meinungen vertreten, denen der Senat jedoch im vorliegenden Fall der Kündigung eines Mietverhältnisses nicht folgt.

Damit können die Erben ein Mietverhältnis über eine zum Nachlass gehörende Sache wirksam mit Stimmmehrheit kündigen, wenn sich die Kündigung als Maßnahme ordnungsgemäßer Nachlassverwaltung darstellt.

§ 2038 BGB i.V.m. § 745 Abs. 1 BGB ermöglicht es den Erben, aufgrund eines Mehrheitsbeschlusses wirksam Verfügungsgeschäfte zum Zwecke ordnungsgemäßer Verwaltung abzuschließen. Da sie auf diesem Wege Verträge abschließen können, kann ihnen auch die Kündigung von Verträgen nicht verwehrt werden. Dass das Mietverhältnis bereits durch den Erblasser begründet wurde, ändert an der Beurteilung nichts, da eine durch die Erben begründete Mietzinsforderung im Wege der Surrogation nach § 2041 Satz 1 BGB ebenfalls in den Nachlass fallen würde.

Auch folgt aus dem Prinzip der Gemeinschaftlichkeit der Gesamthandsgemeinschaft keineswegs die Notwendigkeit einstimmig zu handeln. Dieser Grundsatz ist bereits durch die Verwaltungsregeln des § 2038 BGB durchbrochen. Auch verneint keine Ansicht trotz des entgegenstehenden Wortlauts des § 2040 Abs. 1 BGB die Zulässigkeit sog. Notverfügungen. Zudem ist das Vetorecht des überstimmten Erben durch das gerichtliche Verfahren auf Abgabe seiner Willenserklärung ausreichend geschützt.

Soweit es sich bei der Kündigung daher um einen ordnungsgemäße Verwaltungsmaßnahme handelte, ist sie wirksam. Die Ordnungsmäßigkeit der obig benannten Maßnahmen der Nachlassverwaltung ist objektive aus Sicht eines vernünftig und wirtschaftlich denkenden Beurteilers zu sehen. Jedoch können wesentliche Veränderungen des Nachlasses nach § 2038 BGB i.V.m. § 745 Abs. 1 BGB nicht beschlossen werden (BGHZ 164, 181, 186). Daraus folgt, dass Kündigungen, die dem Interesse eines einzelnen Miterben an der Werterhaltung des Nachlasses nicht gerecht werden, mithin zu einer Entwertung des Nachlasses führen, keine ordnungsgemäße Verwaltung darstellen können. Darüber hinaus gehende Interessen bleiben außer Betracht. Denn §§ 2038, 745 BGB gewährleisten allein die Nutzungsquote, nicht aber die reale Eigennutzung.

Der in Frage stehende Mietvertrag wurde mithin zum 31.05.2002 gekündigt. Angesichts der offensichtlichen Diskrepanz der ortsüblichen zu der vertraglich vereinbarten Miete bedarf es hinsichtlich der Ordnungsmäßigkeit der Verwaltung keiner weiteren Feststellungen.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil vom 11.11.2009, XII ZR 210/05

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge