Leitsatz
Die Erben können ein Mietverhältnis über eine zum Nachlass gehörende Sache wirksam mit Stimmenmehrheit kündigen, wenn sich die Kündigung als Maßnahme ordnungsgemäßer Nachlassverwaltung darstellt.
(amtlicher Leitsatz des BGH)
Normenkette
BGB §§ 745, 2038, 2040
Kommentar
Der Erblasser vermietete im Jahr 1980 eine in Dresden gelegene Villa an die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Die Mieterin nutzte das Gebäude zur Unterbringung einer Puppentheatersammlung. Mit dem Tod des Erblassers im Jahr 1989 ging das Eigentum an dem Grundstück und die Rechte und Pflichten aus dem Mietvertrag auf seine Erben A, B und C über. Nachdem Verhandlungen mit der Mieterin über eine Mieterhöhung keinen Erfolg hatten, kündigten A und B "im Namen der Erbengemeinschaft" das Mietverhältnis. Der BGH hatte zu entscheiden, ob die ohne Mitwirkung des Miterben C ausgesprochene Kündigung wirksam ist.
Das Problem ergibt sich aus den §§ 2038, 2040 BGB. Die Verwaltung des Nachlasses steht den Erben gemeinschaftlich zu (§ 2038 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die hierfür erforderlichen Maßnahmen können gemäß §§ 2038 Abs. 2, 745 Abs. 1 BGB durch Stimmenmehrheit beschlossen werden. Dagegen setzt eine Verfügung über den Nachlassgegenstand die Mitwirkung aller Erben voraus; ein Mehrheitsbeschluss genügt nicht (§ 2040 Abs. 1 BGB).
Zur Nachlassverwaltung gehören alle Maßregeln zur Verwahrung, Sicherung, Erhaltung und Vermehrung sowie zur Gewinnung der Nutzung und Bestreitung der laufenden Verbindlichkeiten. Gehört zum Nachlass ein Grundstück, so zählt dessen Vermietung zu den Verwaltungsmaßnahmen. Verfügungen sind demgegenüber Rechtsgeschäfte, die unmittelbar darauf gerichtet sind, den Nachlass zu verändern oder zu übertragen. Hierzu zählt insbesondere die Veräußerung eines zum Nachlass gehörenden Grundstücks oder dessen Belastung mit einer Grundschuld. Die Kündigung eines Mietverhältnisses ist nach der Rechtsprechung eine Verfügung über die Rechte aus dem Mietvertrag und die aus diesem Vertrag folgende Mietzinsforderung (BGH, Urteil v. 28.4.2006, LwZR 10/05, NJW 2007 S. 150). Diese Maßnahme wird der Verfügung über das Grundstück gleichgestellt.
Streitig ist, welche Rechtsfolge gilt, wenn die Kündigung des Mietvertrags zur ordnungsgemäßen Bewirtschaftung des Grundstücks erforderlich ist. So lagen die Dinge hier, weil der bisher geschuldete Mietzins weit unterhalb des wirklichen Mietwerts des Grundstücks lag. In einem solchen Fall stellt die Kündigung sowohl eine Verfügung als auch eine Verwaltungsmaßnahme dar.
Nach Ansicht des BGH ist § 2038 BGB vorrangig mit der Folge, dass die Kündigung mehrheitlich beschlossen werden kann. Die überstimmten Erben haben ein aus § 2040 Abs. 1 BGB hergeleitetes "Vetorecht": Auf deren Antrag hat das Gericht zu prüfen, ob der Mehrheitsbeschluss den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Verwaltung genügt. Dies ist aus objektiver Sicht zu beurteilen. Maßstab ist der Standpunkt eines vernünftig und wirtschaftlich denkenden Beurteilers.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil vom 11.11.2009, XII ZR 210/05