Leitsatz

  1. Die Eigentümer eines mit einem Nießbrauch belasteten Grundstücks sind nach dem Tode des Nießbrauchers auch dann gemäß § 1056 Abs. 2 Satz 1 BGB zur vorzeitigen Kündigung eines von dem Nießbraucher abgeschlossenen Mietvertrags berechtigt, wenn sie neben weiteren Personen Miterben des Nießbrauchers sind.
  2. Bruchteilseigentümer können ein Mietverhältnis über das gemeinschaftliche Grundstück wirksam mit Stimmenmehrheit kündigen, wenn sich die Kündigung als Maßnahme einer ordnungsgemäßen Verwaltung gemäß § 745 Abs. 1 Satz 1 BGB darstellt (im Anschluss an Senatsurteil v. 11.11.2009, XII ZR 210/05, BGHZ 183 S. 131 = FamRZ 2010 S. 119 ff.).

(amtliche Leitsätze des BGH)

 

Normenkette

BGB §§ 1056 Abs. 2, 745 Abs. 1

 

Kommentar

1 Der Fall

Die Eigentümerin eines Hauses übertrug im Jahr 1968 das Eigentum an einem Hausgrundstück auf ihre 4 Kinder A, B, C und D. In dem Übergabevertrag wurde zugunsten der Eigentümerin ein lebenslanger Nießbrauch an dem Grundstück eingeräumt. In der Folgezeit übertrug D seinen Miteigentumsanteil auf B.

Im Jahr 1991 vermietete die Nießbraucherin einen Teil der Immobilie zum Betrieb eines Cafés. Der Mietvertrag lief auf unbestimmte Zeit, jedoch war vereinbart, dass das Recht der Vermieterin zur ordentlichen Kündigung auf Dauer ausgeschlossen sein sollte.

Die Nießbraucherin verstarb im Jahr 2004. Sie wurde von ihren Kindern A, B, C und D beerbt. Die Miteigentümer A und B haben das Mietverhältnis gekündigt. C hat erklärt, dass er der Kündigung nicht zustimme. Der BGH hatte zu entscheiden, ob das Mietverhältnis durch die Kündigung beendet worden ist. Dies wird vom BGH bejaht.

2 Sonderkündigungsrecht des Eigentümers

Der Nießbraucher (§§ 1030 ff. BGB) ist anstelle des Eigentümers zur Vermietung berechtigt. Hat der Nießbraucher ein Grundstück über die Dauer des Nießbrauchs hinaus vermietet, wird das Mietverhältnis nach Beendigung des Nießbrauchs mit dem Eigentümer fortgesetzt (§ 1056 Abs. 1 BGB). Der Eigentümer hat ein Sonderkündigungsrecht nach § 1056 Abs. 2 BGB. Aufgrund dieses Sonderkündigungsrechts kann der Eigentümer ein befristetes Mietverhältnis vor Ablauf der Befristung beenden. An einen zwischen dem Nießbraucher und dem Mieter vereinbarten Kündigungsausschluss ist der Eigentümer nicht gebunden.

3 Sonderkündigungsrecht ausgeschlossen

Das Sonderkündigungsrecht ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer persönlich an den Mietvertrag gebunden ist. Dies ist der Fall,

4 Nicht nur Alleinerbe des Nießbrauchers

Hier besteht die Besonderheit, dass neben den Eigentümern A, B und C auch der Nichteigentümer D Erbe geworden ist. Das führt zu der Frage, ob der letztgenannte Ausnahmefall auch auf diese Konstellation anwendbar ist. Dies wird vom BGH verneint. Das folgt aus der Erwägung, dass der Alleinerbe des Nießbrauchers die diesem obliegende Überlassungspflicht weiterhin erfüllen kann; der Ausspruch einer Kündigung wird deshalb als treuwidrig angesehen (§ 242 BGB).

Wird der Nießbraucher dagegen nicht nur von den Eigentümern, sondern auch von einer weiteren Person beerbt, kann der Eigentümer die Gebrauchsüberlassungspflicht nicht erfüllen, was die Ausübung des Sonderkündigungsrechts rechtfertigt (Leitsatz 1).

5 Maßnahmen der Erbengemeinschaft

In einem weiteren Teil der Entscheidung befasst sich der BGH mit der Frage, ob die Kündigung eines Mietverhältnisses durch eine Erbengemeinschaft auch dann möglich ist, wenn die Kündigung lediglich von der Mehrheit der Mitglieder ausgesprochen wird. Das Problem ergibt sich aus den §§ 2038, 2040 BGB. Die Verwaltung des Nachlasses steht den Erben gemeinschaftlich zu (§ 2038 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die hierfür erforderlichen Maßnahmen können gem. §§ 2038 Abs. 2, 745Abs. 1 BGB durch Stimmenmehrheit beschlossen werden. Dagegen setzt eine Verfügung über den Nachlassgegenstand die Mitwirkung aller Erben voraus; ein Mehrheitsbeschluss genügt nicht (§ 2040 Abs. 1 BGB).

Zur Nachlassverwaltung gehören alle Maßregeln zur Verwahrung, Sicherung, Erhaltung und Vermehrung sowie zur Gewinnung der Nutzung und Bestreitung der laufenden Verbindlichkeiten. Gehört zum Nachlass ein Grundstück, zählt dessen Vermietung zu den Verwaltungsmaßnahmen. Verfügungen sind demgegenüber Rechtsgeschäfte, die unmittelbar darauf gerichtet sind, den Nachlass zu verändern oder zu übertragen. Hierzu zählen insbesondere die Veräußerung eines zum Nachlass gehörenden Grundstücks oder dessen Belastung mit einer Grundschuld. Die Kündigung eines Mietverhältnisses ist nach der Rechtsprechung eine Verfügung über die Rechte aus dem Mietvertrag und die aus diesem Vertrag folgende Mietzinsforderung (BGH, Urteil v. 28.4.2006, LwZR 10...

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