Alexander C. Blankenstein
Die Beurteilung der Frage, ob dem Vermieter durch den Fortbestand eines Mietvertrags ein erheblicher Nachteil entsteht, ist vor dem Hintergrund der Sozialpflichtigkeit des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 2 GG und damit des grundsätzlichen Bestandsinteresses des Mieters, in der bisherigen Wohnung als seinem Lebensmittelpunkt zu verbleiben, vorzunehmen. Die im Rahmen des § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB erforderliche Abwägung zwischen dem Bestandsinteresse des Mieters und dem Verwertungsinteresse des Eigentümers entzieht sich dabei einer generalisierenden Betrachtung. Maßgeblich sind vielmehr die konkreten Umstände des Einzelfalls und der konkreten Situation des Vermieters. Dabei handelt es sich um eine Frage, die im Streitfall vom Gericht entschieden wird.
Grundsätzlich reicht nicht jeglicher wirtschaftliche Nachteil aus. Andererseits ist auch eine Existenzbedrohung nicht erforderlich. Die Wahrheit liegt vielmehr in der Mitte. Der Vermieter hat jedenfalls eine Wirtschaftlichkeitsberechnung vorzunehmen und diese dem Mieter in der Begründung der Kündigung im Wesentlichen darzulegen, sodass dieser die Berechtigung zur Kündigung nachvollziehen kann. Andererseits muss der Vermieter keinen Vermögensstatus offenlegen. Er muss also keine betriebswirtschaftliche Auswertung erstellen. Auch steuerliche Hintergründe sind unerheblich. Es genügt, wenn der Vermieter darlegt, warum gerade die Beendigung des Mietverhältnisses für die Durchführung der geplanten Maßnahme erforderlich ist und welche wirtschaftlichen Nachteile er erleidet, so sie nicht durchführbar wäre.
Als grobe Faustformel lässt sich festhalten, dass für den Vermieter ein erheblicher Nachteil dann vorliegt, wenn er einen Umfang annimmt, der die Nachteile überwiegt, die der Mieter im Fall der Kündigung erleiden würde. Der Vermieter hat insoweit keinen Anspruch auf Gewinnoptimierung, grundsätzlich hat er aber die Freiheit, sein Eigentum auch zu veräußern. Letztlich ist die Vermögenslage im gegenwärtigen vermieteten Zustand derjenigen gegenüberzustellen, die im Fall der Nichtvermietung bestünde. Insoweit ist jedoch allein auf das abstrakte Interesse eines jeden Mieters, seine Wohnung behalten zu können, abzustellen. Auf die konkrete Situation des Mieters und auf etwaige besondere Nachteile, die ein Umzug gerade in der konkreten Lage des Mieters mit sich bringt, ist bei der Abwägung nicht abzustellen.
Ursprünglicher Kauf einer vermieteten Wohnung
Der Vermieter hat die Wohnung ursprünglich bereits in vermietetem Zustand erworben. Durch einen Verkauf der Wohnung würde er heute einen wesentlich höheren Kaufpreis erzielen können, wenn die Wohnung unvermietet wäre. Der Vermieter kann nicht kündigen, weil die Wohnung von Anfang an mit dem durch die Vermietung verbundenen Minderwert behaftet ist.
Als erhebliche Nachteile werden folgende angesehen:
- Vermieter kann wegen Verweigerung eines Bankkredits sein Gewerbe nicht mehr rentabel führen und ist zur Veräußerung des vermieteten Einfamilienhauses gezwungen;
- Vermieter kann nicht einmal den für vermietete Wohnungen oder Grundstücke üblichen Preis erzielen;
- Vermieter müsste bei Veräußerung in vermietetem Zustand erhebliche Abschläge in Kauf nehmen. Was hier als erheblich anzusehen ist, obliegt wiederum den Maßgaben des konkreten Einzelfalls.
In den Veräußerungsfällen kann die Rechtsprechung als unkalkulierbar bezeichnet werden. Eine klare Linie hat sich hier bislang nicht herausgebildet. Zwei Beispiele zur Veranschaulichung:
- Ein erheblicher Nachteil wurde bejaht bei einer Minderung des Kaufpreises zwischen 10 und 15 %.
- Ein erheblicher Nachteil wurde verneint bei einer Minderung des Kaufpreises von 15 %.
Hier ist stets eine Gesamtwürdigung vorzunehmen, in die auch die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Vermieters einzubeziehen sind.
Nur ausnahmsweise ist einmal eine Verwertungskündigung zur freiberuflichen oder gewerblichen Nutzung einer Wohnung möglich. Der Vermieter muss hierauf angewiesen sein, etwa weil er sich die Miete für vergleichbare Gewerberäume nicht leisten kann.