Leitsatz

1. Ein Kündigungsgrund im Sinne von § 569 Abs. 1 BGB liegt auch bei einer nicht verkehrssicheren baulichen Beschaffenheit einer Galerie vor (hier: fehlendes Geländer).

2. Es spielt keine Rolle, wenn die baulichen Mängel nur einem kleinen Teil des Mietobjekts anhaften. Entscheidend ist, dass die Mängel die Gebrauchstauglichkeit eines sog. Hauptraums betreffen.

3. Die Kündigung nach § 569 Abs. 1 BGB setzt grundsätzlich voraus, dass dem Vermieter eine Frist zur Abhilfe gesetzt wird. Diese Maßnahme ist entbehrlich, wenn der Vermieter die Abhilfe endgültig verweigert hat.

4. Der Mieter ist nicht gehindert, eine Auslauffrist in Anspruch zu nehmen.

(Leitsätze der Redaktion)

 

Normenkette

BGB § 569 Abs. 1

 

Kommentar

Zwischen den Parteien bestand ein Mietvertrag über ein zweistöckiges Haus mit insgesamt 11 Räumen. Im Obergeschoss befand sich eine L-förmige Galerie (Empore) sowie ein kleineres Zimmer, das von den Mietern als Arbeitszimmer genutzt wurde. An der Empore fehlte das Geländer. Der Vermieter hat das Geländer trotz mehrmaliger Aufforderung nicht angebracht. Aus diesem Grund haben die Mieter das Mietverhältnis durch Schreiben vom 9.5.2006 zum 31.7.2006 außerordentlich gekündigt. Das Gericht hatte über die Wirksamkeit der Kündigung zu entscheiden.

Es führt aus, dass der Kündigungsgrund des § 569 Abs. 1 BGB gegeben ist. Danach kann der Mieter außerordentlich fristlos kündigen, wenn ein Wohnraum so beschaffen ist, dass seine Nutzung eine erhebliche Gefährdung der Gesundheit zur Folge haben kann. Dieselbe Regelung gilt für die Geschäftsraummiete (§ 578 Abs. 2 S. 2 BGB). Ein Kündigungsgrund in diesem Sinn wird auch bei einer nicht verkehrssicheren baulichen Beschaffenheit von Treppen, Fußböden oder Galerien angenommen. Es spielt hierbei keine Rolle, wenn die baulichen Mängel nur einem kleinen Teil des Mietobjekts anhaften. Entscheidend ist, dass die Mängel die Gebrauchstauglichkeit eines sog. Hauptraums betreffen; eine mangelhafte Beschaffenheit von Zubehörräumen wie Abstellräumen oder Kellerräumen genügt in der Regel nicht.

Die Kündigung nach § 569 Abs. 1 BGB setzt grundsätzlich voraus, dass dem Vermieter eine Frist zur Abhilfe gesetzt wird. Diese Maßnahme ist allerdings unter anderem dann entbehrlich, wenn sie offensichtlich keinen Erfolg verspricht. Hiervon ist auszugehen, wenn der Vermieter die Abhilfe endgültig verweigert (§ 543 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 BGB). Vorliegend hat der Vermieter erklärt, dass er das fehlende Geländer nicht als Mangel ansehe. Bei dieser Sachlage kann ein Mieter ohne vorherige Fristsetzung kündigen.

Nach § 543 Abs. 1 S. 1 BGB wird das Mietverhältnis bei einer auf § 569 Abs. 1 BGB gestützten Kündigung fristlos beendet. Dies hindert den Mieter allerdings nicht, eine Auslauffrist (von fast 3 Monaten) in Anspruch zu nehmen. Das folgt aus der Erwägung, dass der Kündigungsgrund der Gesundheitsgefährdung unverzichtbar ist und selbst dann besteht, wenn der Mieter den gesundheitsgefährdenden Zustand längere Zeit in Kauf genommen hat.

 

Link zur Entscheidung

Brandenburgisches OLG, Urteil vom 02.07.2008, 3 U 156/07Brandenburgisches OLG, Urteil v. 2.7.2008, 3 U 156/07, ZMR 2009, 190 m. Anm. Pfeifer, jurisPR-MietR 9/2009 Anm. 6

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