Leitsatz
Eine Bank, die eine zu Wohnzwecken vermietete Immobilie in der Zwangsversteigerung erworben hat, hat ein berechtigtes Interesse an der Kündigung des Mietverhältnisses, wenn der Mieter seine Rechtsposition durch ein von ihr wegen Gläubigerbenachteiligung anfechtbares Rechtsgeschäft erlangt hat, bei Fortsetzung des Mietverhältnisses eine Verwertung des Grundstücks zu zumutbaren wirtschaftlichen Bedingungen nicht möglich ist und die Bank dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde (amtlicher Leitsatz des BGH).
Normenkette
BGB § 573
Kommentar
Der Eigentümer bestellte zugunsten einer Bank zur Sicherung eines Darlehens eine Grundschuld an dem von ihm selbst bewohnten Einfamilienhaus. Im Jahr 1999 geriet der Eigentümer in finanzielle Schwierigkeiten. Nachdem er das Darlehen nicht mehr bedienen konnte, leitete die Bank am 22.2.2001 die Zwangsvollstreckung in das Hausgrundstück ein, das am 1.3.2001 beschlagnahmt wurde. Mit notariellem Vertrag vom 24.9.2001 bestellte der Eigentümer zugunsten seiner Verlobten R. P. ein Wohnrecht sowie eine Grundschuld über 200.000 EUR. Am 10.10.2001 heiratete der Eigentümer seine Verlobte. Am 16.2.2002 wurde über das Vermögen des Eigentümers das Insolvenzverfahren eröffnet.
Vor dem ersten Versteigerungstermin am 16.1.2004 legten die Eheleute einen auf den 15.2.2000 datierten Mietvertrag vor. Dieser enthält folgende Vereinbarung: "Frau R. P. hat Herrn ... ein Darlehen gewährt in Höhe von 400.000 DM. Dafür hat sie als dingliche Absicherung ein grundbuchrechtlich eingetragenes Wohnrecht bekommen. Die monatliche Miete mit allen Nebenkosten verrechnet sie mit dem Darlehen und wohnt somit 10 Jahre mietfrei."
Nachdem auch im zweiten Versteigerungstermin keine Gebote abgegeben wurden, ersteigerte die Bank das Hausgrundstück. Sodann kündigte sie das Mietverhältnis und nahm die Eheleute auf Räumung und Herausgabe in Anspruch.
Der BGH erachtet die Kündigung für wirksam: Durch die Erteilung des Zuschlags wurde die Bank Eigentümerin des Einfamilienhauses. Als solche ist sie gem. § 566 BGB als Vermieterin in das zwischen Frau R. P. und ihrem Ehemann bestehende Mietverhältnis eingetreten.
Das Mietverhältnis war auf die Dauer von 10 Jahren befristet. Dies hindert die Kündigung nicht, weil dem Erwerber in der Zwangsvollstreckung das Sonderkündigungsrecht nach § 57a ZVG zusteht. Nach § 573d Abs. 1 BGB gilt für diese Kündigung die Regelung in § 573 BGB entsprechend; es müssen also Kündigungsgründe vorliegen. In Betracht kommt hier allein der Kündigungsgrund der beabsichtigten wirtschaftlichen Verwertung nach § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB. Danach kann der Vermieter kündigen, wenn er durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert ist und dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde. Ein solcher Kündigungssachverhalt kann gegeben sein, wenn der Vermieter die Immobilie verkaufen will und der Verkauf wegen des Bestands des Mietvertrags nicht oder nur zu unzumutbaren Konditionen möglich ist.
In Rechtsprechung und Literatur wird teilweise die Ansicht vertreten, dass die Kündigung zum Zweck des Verkaufs einer Immobilie nicht angemessen ist, wenn eine Bank aufgrund eines notleidenden Kredits die Zwangsvollstreckung in eine vermietete Eigentumswohnung oder ein vermietetes Einfamilienhaus betreibt und sodann mit der Begründung kündigt, sie müsse das Anwesen möglichst gewinnbringend verkaufen (Blank in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, § 573 BGB Rdn. 159 m. w. N.). Diese Ansicht beruht auf der Erwägung, dass notleidende Kredite zum typischen Risiko der Banken gehören; solche Risiken sollen nicht zulasten der Mieter minimiert werden.
Der BGH lässt offen, ob diese Ansicht im Allgemeinen zutrifft. Sie ist jedenfalls dann nicht anzuwenden, wenn der Mietvertrag wegen Gläubigerbenachteiligung angefochten werden könnte. Es ist nicht erforderlich, dass der Mietvertrag angefochten wird; es genügt, wenn der Anfechtungstatbestand nach § 3 des Anfechtungsgesetzes vorliegt. Nach § 3 Abs. 1 S. 1 AnfG ist eine Rechtshandlung anfechtbar, "die der Schuldner in den letzten 10 Jahren vor der Anfechtung mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte". Nach § 3 Abs. 1 S. 2 AnfG wird die Kenntnis "vermutet, wenn der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte". Der Tatbestand des § 3 Abs. 1 AnfG setzt mithin voraus, dass
1. die Gläubiger des Vermieters durch den Abschluss des Mietvertrags benachteiligt werden,
2. dass der Vermieter mit dem Vorsatz der Gläubigerbenachteiligung handelt und
3. dass der Mieter den Vorsatz des Vermieters kennt.
Das unter Ziff. 1 beschriebene Tatbestandsmerkmal liegt vor, wenn die Zugriffsmöglichkeit der Gläubiger auf das Vermögen des Vermieters erschwert wird. Hiervon kann regelmäßig ausgegangen werden, wenn der Vermieter die Immobilie langfristig zu besonders günstigen Konditi...