Das Wichtigste in Kürze:

1. Die alleinige Inpflichtnahme des Fahrzeugführers ist mit der wirtschaftlichen Bedeutung und den veränderten Gegebenheiten des modernen Logistikbetriebes nicht mehr vereinbar.
2. Tathandlung des § 31 Abs. 2 StVZO ist nicht die ungenügende Ladungssicherung selbst, sondern die Anordnung oder Zulassung der Inbetriebnahme des Fahrzeugs durch den Halter trotz Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis der nicht vorschriftsmäßigen Ladung.
3. Eine Verurteilung nach § 31 Abs. 2 StVZO scheidet aus, wenn der Halter durch organisatorische Maßnahmen, insbesondere Auswahl zuverlässiger Personen, Stichproben und Weisungen hinreichende Vorkehrungen für die Einhaltung der Ladungssicherungsvorschriften getroffen hat.
4. Erfolgte eine wirksame Delegation der Halterpflichten an einen Dritten, tritt dieser an die Stelle des Halters.
5. Als Normadressaten des § 22 Abs. 1 S. 1 StVO kommen grds. alle Personen in Betracht, die durch ihre konkrete Mitwirkung an der Beladung Verantwortung für die ordnungsgemäße Ladungssicherung tragen.
 

Rdn 2756

 

Literaturhinweise:

S. die Hinw. bei → Ladungssicherung, Allgemeines, Fahrzeugführer, Rdn 2736.

 

Rdn 2757

1. Der Gesetzgeber hat die mit der unmittelbaren Eröffnung der Gefahrenquelle durch die Teilnahme des (unzureichend) beladenen Fahrzeugs am Straßenverkehr verbundenen Verantwortlichkeiten über die §§ 22, 23 StVO primär dem Fahrzeugführer als erstrangigem Normadressaten zugewiesen (→ Ladungssicherung, Allgemeines, Fahrzeugführer, Rdn 2736). Aufgrund der erheblich gestiegenen Bedeutung des Logistikwesens, des Umfangs des Transportaufkommens und nicht zuletzt der außergewöhnlichen Schadensgeneigtheit erscheint es unbefriedigend, allein den Fahrzeugführer (Hillmann zfs 2003, 387, 388 f.) ordnungswidrigkeitenrechtlich in die Pflicht zu nehmen. In der Mehrzahl der Fälle handelt es sich bei dem permanent unter Termindruck stehenden Fahrzeugführer um einen abhängig beschäftigen und deshalb grds. weisungsgebundenen Berufskraftfahrer oder allenfalls nicht minder abhängigen Kleinunternehmer, der existenziell vom Arbeitgeber oder Auftraggeber abhängig ist. Aus seiner Sicht erscheint es deshalb wenig realistisch, sich gegen Weisungen seines Arbeitgebers mit dem Argument, die Ladung entspreche nicht den Vorschriften oder die zur Verfügung gestellten Mittel zur Ladungssicherung seien ungenügend, zur Wehr zu setzen, mag dies von Rechts wegen auch von ihm abverlangt werden. Auch vor diesem Hintergrund ist stets zu prüfen, ob und in welchem Umfang auch andere Personen für die ordnungsgemäße Ladungssicherung ordnungswidrigkeitenrechtlich einzustehen haben. Dies gilt umso mehr, als sich auch die Rechtsprechung im Hinblick auf die Pflichten und die Verantwortlichkeit des Halters klar positioniert (OLG Bamberg, Beschl. v. 18.12.2017 – 3 Ss OWi 1774/17, zfs 2018, 652 = NZV 2018, 289; OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 1.7.2019 – 2 Ss-OWi 1077/18, NStZ-RR 2019, 323 = zfs 2019, 709; OLG Hamm, Beschl. v. 25.1.2018 – III-4 RBs 491/17 m. Anm. Krenberger jurisPR-VerkR 20/2018 Anm. 6).

 

Rdn 2758

2.a) Nach § 31 Abs. 2 StVZO darf "der Halter […] die Inbetriebnahme nicht anordnen oder zulassen, wenn ihm bekannt ist oder bekannt sein muss, dass der Führer nicht zur selbstständigen Leitung geeignet oder das Fahrzeug, der Zug, das Gespann, die Ladung oder die Besetzung nicht vorschriftsmäßig ist oder dass die Verkehrssicherheit des Fahrzeugs durch die Ladung oder die Besetzung leidet." An die Erfüllung dieser dem Halter nach § 31 Abs. 2 StVZO obliegenden Aufsichts- und Überwachungspflichten für die Einhaltung der aus den §§ 22 Abs. 1 S. 1, 23 Abs. 1 S. 1 StVO resultierenden Ladungssicherungsvorschriften sind strenge Anforderungen zu stellen. Ihre Erfüllung setzt auch bei einer wirksamen Delegation auf qualifiziertes Personal (z.B. Disponent, Fuhrparkleiter) zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung mit Blick auf die besonderen Gefahren, die von entsprechenden Verstößen gegen die Ladungssicherheit für den öffentlichen Straßenverkehr ausgehen, nicht nur voraus, dass der insoweit Verantwortliche bei der Auswahl und Schulung der Fahrzeugführer die erforderliche Sorgfalt walten lässt und diese mit den notwendigen (Unter-)Weisungen versieht. Erforderlich ist vielmehr auch, dass die Beachtung der Weisungen durch gelegentliche – auch unerwartete – Kontrollen überprüft wird, weil nur so eine wirksame, nicht lediglich auf zufällig entdeckte Verstöße beschränkte, planmäßige Überwachung gewährleistet ist, welche auch präventiv wirkt (OLG Bamberg zfs 2013, 651 = VRR 2013, 349 [Gieg]). Danach hat der Halter dafür Sorge zu tragen, dass nur solche Personen mit Ladungssicherungsaufgaben betraut werden, die körperlich und geistig gesund sind, über ausreichende Fach- und ggf. Sprachkenntnisse verfügen, hinsichtlich ihrer Tätigkeit turnusgemäß – nach der Richtlinie VDI 2700 mindestens alle 3 Jahre – nach den einschlägigen Bestimmungen des Arbeitsschutzgesetzes, der BetriebssicherheitsVO und der einschlägigen Unfallverhütungsvorschrif...

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