Entscheidungsstichwort (Thema)
Streitwert. Mehrere Kündigungen
Leitsatz (redaktionell)
1. Wo trotz prozessualer Anspruchsmehrheiten keine wirtschaftliche Werthäufung entsteht, darf auch keine Zusammenrechnung erfolgen. Das Additionsverbot bei Anträgen, die wirtschaftlich nicht zur Werterhöhung führen, ist ein allgemeines Prinzip im Regelungsbereich der § 5 ZPO und § 39 Abs. 1 GKG.
2. Ein Vergleichsmehrwert setzt nach allgemeiner Überzeugung i.S.v. § 779 BGB die Beseitigung eines Streits oder einer Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis durch die Vereinbarung voraus.
Normenkette
GKG § 42 Abs. 3 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Pforzheim (Beschluss vom 27.04.2010; Aktenzeichen 3 Ca 677/09) |
Tenor
Die Beschwerde der Beschwerdeführer gegen den Wertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Pforzheim vom 27. April 2010 – 3 Ca 677/09 – wird zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Die Beschwerde der Beschwerdeführer (Prozessbevollmächtigte der Beklagten) richtet sich gegen die Wertfestsetzung des Arbeitsgerichts gemäß § 63 Abs. 2 GKG.
Im Ausgangsverfahren wandte sich der Kläger gegen eine außerordentliche wie hilfsweise ordentliche Kündigung vom 21. Dezember 2009 sowie eine ordentliche Kündigung vom 30. November 2009. Der Rechtsstreit endete durch Vergleich vom 2. Februar 2010, wonach das Arbeitsverhältnis aufgrund arbeitgeberseitiger betriebsbedingter Kündigung mit Ablauf des 28. Februar 2010 enden wird, die Beklagte an den Kläger eine Sozialabfindung zahlt und die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger noch durch Einzelabrechnungen abrechnet sowie der Kläger unter Verrechnung auf eventuelle Urlaubsansprüche bis zum Ablauf des Arbeitsverhältnisses freigestellt wird.
Das Arbeitsgericht hat nach Gewährung rechtlichen Gehörs den für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert im angefochtenen Beschluss auf EUR 16.687,83 und ein Vergleichsmehrwert in Höhe von EUR 250,00 festgesetzt. Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 3. Mai 2010 beim Arbeitsgericht eingegangene Beschwerde der Beschwerdeführer, der das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 11. Juni 2010 nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt hat.
Das Landesarbeitsgericht hat mit Verfügung vom 21. Juni 2010 die Beschwerdeführer auf die Rechtsprechung der Beschwerdekammer hingewiesen. Die Beschwerdeführer haben mit Schriftsatz vom 29. Juni 2010 abschließend Stellung genommen.
Entscheidungsgründe
II.
Die nach dem Wert der Beschwer (§ 68 Abs. 1 Satz 1 GKG) statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat im angefochtenen Beschluss den für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert auf EUR 16.687,83 sowie einen Vergleichsmehrwert in Höhe von EUR 250,00 zutreffend festgesetzt. Weder ist die Festsetzung eines höheren Verfahrenswertes noch eines höheren Vergleichsmehrwerts begründet. Das Arbeitsgericht hat zutreffend den für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert unter einmaliger vollständiger Ausschöpfung des Wertrahmens nach § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG festgesetzt. Es ist dabei zutreffend davon ausgegangen, dass zwischen den letztlich drei Kündigungsschutzanträgen hinsichtlich der ordentlichen Kündigung vom 30. November 2009 sowie der außerordentlichen hilfsweise ordentlichen Kündigung vom 21. Dezember 2009 wirtschaftliche Identität besteht, weshalb die einzelnen Werte für die jeweiligen Klaganträge nicht nach § 39 Abs. 1 GKG addiert werden können. Ebenso zutreffend hat das Arbeitsgericht die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts hinsichtlich der vereinbarten Freistellung abgelehnt.
1. Zu Recht hat das Arbeitsgericht zunächst für den Klagantrag, gerichtet gegen die außerordentliche Kündigung vom 21. Dezember 2009, einen Wert in Höhe des für die Dauer eines Vierteljahres zu leistenden Arbeitsentgelts nach § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG mit EUR 16.687,83 festgesetzt. Dies wird insoweit von der Beschwerde auch nicht in Zweifel gezogen.
2. Der gegen die ordentliche Kündigung vom 21. Dezember 2009 und gegen die ordentliche Kündigung vom 30. November 2009 gerichtete Kündigungsschutzanträge zu 2 und 3 führen zu keiner Werterhöhung. Dies hat das Arbeitsgericht zutreffend entschieden. Zwar haben die beiden Kündigungsschutzanträge jeweils einen eigenen Wert in Höhe von EUR 16.687,83. Diese Werte sind aber mit dem Wert des Antrags zu 1 nicht zusammenzurechnen.
a) Zwischen den drei punktuellen Kündigungsschutzanträgen besteht wirtschaftliche Identität, da sie wirtschaftlich dasselbe Ziel verfolgen, nämlich den Fortbestand des Vertragsverhältnisses zwischen den Arbeitsvertragsparteien. Deshalb sind diese Werte nicht nach § 39 Abs. 1 GKG zu addieren. Wo trotz prozessualer Anspruchsmehrheiten keine wirtschaftliche Werthäufung entsteht, darf auch keine Zusammenrechnung erfolgen (vgl. etwa BGH 29. Januar 1987 – V ZR 136/86 – NJW-RR 1987, 1148). Es kommt deshalb streitwertrechtlich nicht darauf an, welche prozessualen Streitgegenstände zur Entscheidung gestellt wurden, sondern ob durch einen weiteren prozessualen Gegenstand ein weiterer wirtschaft...