Entscheidungsstichwort (Thema)
Streitwerterhöhung bei vergleichsweiser Miterledigung eines punktuellen Kündigungsschutzantrags zu einer Folgekündigung mit späterem Beendigungszeitpunkt
Leitsatz (amtlich)
1. Der punktuelle Kündigungsschutzantrag betreffend eine Folgekündigung mit späterem Beendigungszeitpunkt ist als ein für den Fall des Erfolgs des Bestandschutzbegehrens betreffend die früher wirkende Kündigung gestellter uneigentlicher Hilfsantrag zu verstehen.
2. Der uneigentliche Hilfsantrag wirkt sich nur streitwerterhöhend aus, wenn über ihn eine Entscheidung ergeht oder er in einem Vergleich sachlich mitgeregelt wird.
3. Im Regelfall ist davon auszugehen, dass in einem Auflösungsvergleich sämtliche in das Verfahren eingeführten Beendigungstatbestände sachlich mitgeregelt worden sind (Abgrenzung zum Verhältnis Kündigungsschutz- und eventualkumulierter allgemeiner Weiterbeschäftigungsantrag).
Normenkette
GKG § 42 Abs. 2 S. 1, § 45 Abs. 4, 1 S. 2
Verfahrensgang
ArbG Heilbronn (Entscheidung vom 12.05.2016; Aktenzeichen 8 Ca 172/15) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin wird der Wertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Heilbronn vom 12.05.2016 - 8 Ca 172/15 - dahingehend abgeändert, dass der für die Gerichtsgebühren maßgebende Wert von 4.800,00 EUR auf 6.400,00 EUR heraufgesetzt wird.
Gründe
I.
Die Beschwerde betrifft die Wertfestsetzung des Arbeitsgerichts gemäß § 63 Abs. 2 GKG.
Im Ausgangsverfahren wandte sich die gegen eine durchschnittliche Bruttomonatsvergütung in Höhe von 1.600,00 EUR bei der Beklagten beschäftigte Klägerin gegen die ordentlichen Arbeitgeberkündigungen vom 29.09.2015 zum 31.10.2015 (Antrag zu 1) und vom 30.10.2015 zum 30.11.2015 (Antrag zu 4), begehrte die allgemeine Feststellung des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses (Antrag zu 2) sowie hilfsweise für den Fall des Obsiegens mit den Bestandsschutzanträgen die vorläufige Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Bestandsschutzrechtstreits (Antrag zu 3).
Der Rechtsstreit endete durch Vergleich vom 03.12.2015 (im Folgenden: "Vergleich" ≪Bl. 27 f. der Akte≫). Darin ist unter anderem geregelt:
"1. Die Parteien sind sich einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis geendet hat aufgrund ordentlicher, fristgerechter und betriebsbedingter Kündigung der Beklagten vom 29.09.2015 mit Ablauf des 31.10.2015.
2. Aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses verpflichtet sich die Beklagte, an die Klägerin eine Abfindung im Sinne der §§ 9, 10 KSchG zu bezahlen in Höhe von EUR 1.400,00 brutto.
...
6. Damit ist das vorliegende Verfahren erledigt".
Das Arbeitsgericht hat den für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert auf 4.800,00 EUR (= 3 durchschnittliche Bruttomonatsvergütungen der Klägerin für den Kündigungsschutzantrag zu 1) festgesetzt. Eine streitwertrechtliche Berücksichtigung der Anträge zu 3 und zu 4 hat es abgelehnt, weil diese im Verhältnis zum Antrag zu 1 eventualkumuliert seien und die Parteien darüber im Vergleich keine Regelung getroffen hätten.
Mit der Beschwerde begehren die Prozessbevollmächtigten der Klägerin die Erhöhung des Streitwerts um eine Bruttomonatsvergütung der Klägerin auf 6.400,00 EUR für den Antrag zu 4. Dieser Antrag sei Gegenstand der Vergleichsverhandlungen gewesen und habe sich auch auf die Höhe der vereinbarten Abfindung ausgewirkt.
Das Arbeitsgericht hat der begehrten Anhebung nicht entsprochen und die Beschwerde dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin ist statthaft (§ 68 Abs. 1 Satz 1 GKG); sie ist form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 68 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG) und auch im Übrigen zulässig und begründet. Das Arbeitsgericht hat den für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert für den Antrag zu 1 zutreffend auf 4.800,00 EUR festgesetzt und richtigerweise eine Zusammenrechnung mit den Anträgen zu 2 und zu 3 unterlassen. Den Antrag zu 4 hätte es jedoch im Umfang einer durchschnittlichen Bruttomonatsvergütung der Klägerin zum Antrag zu 1 hinzurechnen müssen, da die Parteien diesen im Vergleich mit geregelt haben.
1. Die gemäß § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG erfolgte Bewertung der punktuellen Bestandsschutzanträge zu 1 und zu 4 mit jeweils einer Quartalsvergütung der Klägerin in Höhe von 4.800,00 EUR ist zutreffend und entspricht der ständigen Rechtsprechung der für Streitwertbeschwerden zuständigen erkennenden Kammer (27.11.2014 - 5 Ta 168/14 - [...]), denn die Klägerin macht mit jedem punktuellen Kündigungsschutzantrag den unbefristeten Fortbestand des Arbeitsverhältnisses geltend.
2. Ob der allgemeine Feststellungsantrag zu 2 mit einem Monatsverdienst oder ebenfalls im Lichte des § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG zu bewerten ist, kann dahinstehen, denn er wirkt sich im Hinblick auf die bereits mit dem Höchstwert gem. § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG veranschlagten Kündigungsschutzanträge zu 1 und zu 4 im Ergebnis nicht streitwerterhöhend aus, weil durch ihn wirtschaftlich kein weiterer Wert in den Rech...