Entscheidungsstichwort (Thema)
Streitwert für punktuellen Kündigungsschutzantrag zu einer Folgekündigung mit späterem Beendigungszeitpunkt bei vergleichsweiser Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Wertbemessung bei gegensätzlichem Parteivortrag zum Zeitpunkt des Zugangs mehrerer Kündigungen. Streitwert für im Verhältnis zum Zahlungsantrag uneigentlichen Hilfsantrag auf Vergütungsabrechnung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Wertbemessung in vermögensrechtlichen Streitigkeiten richtet sich nach dem wirtschaftlichen Interesse der antragstellenden Partei. Bei divergierendem Vortrag ist deshalb auf deren Angaben abzustellen, soweit diese nicht offensichtlich unrichtig sind (hier: Zeitpunkt des Zugangs mehrerer Kündigungen).
2. Im Regelfall ist davon auszugehen, dass in einem Auflösungsvergleich neben sämtlichen in das Verfahren eingeführten Beendigungstatbeständen auch die eingeklagten bestandsschutzabhängigen Annahmeverzugsansprüche sachlich mitgeregelt worden sind.
3. Der Antrag auf Vergütungsabrechnung ist als uneigentlicher Hilfsantrag im Verhältnis zum Zahlungsantrag für den jeweiligen Abrechnungszeitraum zu verstehen. Dies gilt auch dann, wenn er nicht ausdrücklich als solcher bezeichnet wird. Von seiner Unbedingtheit ist nur auszugehen, wenn gerade der Wille, einen unbedingten Antrag stellen zu wollen, ausdrücklich erklärt wird. Er wirkt sich nur streitwerterhöhend aus, soweit eine Entscheidung über ihn ergeht oder er in einem Vergleich sachlich mitgeregelt wird.
Normenkette
GKG § 42 Abs. 2 S. 1, § 45 Abs. 1 S. 2, Abs. 4, § 48 Abs. 1; ZPO § 3; BGB § 622 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 06.04.2018; Aktenzeichen 9 Ca 4487/17) |
Tenor
- Die Beschwerde der Staatskasse gegen den Wertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart - Kammern Aalen - vom 06.04.2018 - 9 Ca 448/17 - wird zurückgewiesen.
- Der Wertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart - Kammern Aalen - vom 06.04.2018 - 9 Ca 448/17 - wird von Amts wegen dahingehend abgeändert, dass der für die Gerichtsgebühren maßgebende Wert von 9.840,00 € auf 10.696,00 € angehoben wird.
Gründe
I.
Die Beschwerde betrifft die Wertfestsetzung des Arbeitsgerichts gemäß § 63 Abs. 2 GKG.
Im Ausgangsverfahren wandte sich der seit 01.08.2017 gegen eine Bruttomonatsvergütung von 1.600,00 € bei der Beklagten beschäftigte Kläger gegen eine ihm am 03.11.2017 um 20:15 Uhr in seinen Briefkasten eingeworfene ordentliche Arbeitgeberkündigung vom selben Tage zum 17.11.2017. Er berief sich auf deren Formunwirksamkeit wegen fehlender Unterschrift und hilfsweise aufgrund Zugangsfiktion erst am 04.11.2017 auf den Ablauf der Kündigungsfrist am 18.11.2017. Daneben stellte er den allgemeinen Fortbestandsfeststellungsantrag und begehrte klagerweiternd die Zahlung der Vergütung für November 2017 bis Januar 2018 sowie entsprechende Vergütungsabrechnungen über jeweils 1.600,00 € brutto pro Monat. Mit weiterer Klageerweiterung vom 23.02.2018 griff er die erneute ordentliche Probezeitkündigung der Beklagten vom 06.12.2017 zum 21.12.2017 an. Er behauptete, diese sei ihm erst am 12.02.2018 zugegangen und könne das Arbeitsverhältnis deshalb nach Ablauf der gemäß § 1.3 des Arbeitsvertrags der Parteien vom 31.07.2017 (im Folgenden: "Arbeitsvertrag" ≪Bl. 48 ff. der erstinstanzlichen Akte≫) vereinbarten sechsmonatigen Probezeit frühestens Mitte März 2018 beenden. Die Beklagte warf dem Kläger Zugangsvereitelung vor und berief sich auf eine Zugangsfiktion per 09.12.2017. Der Rechtsstreit endete durch Vergleich vom 22.03.2018 (im Folgenden: "Vergleich ≪Bl. 25 f. der erstinstanzlichen Akte≫). Darin ist u.a. geregelt:
"1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher Arbeitgeberkündigung vom 06.12.2017 in der Probezeit zum 21.12.2017 beendet wurde.
2. Die Beklagte rechnet das Arbeitsverhältnis auf Basis eines Bruttomonatsgehalts von 1.600,00 Euro bis zum Beendigungsdatum ordnungsgemäß ab und zahlt den sich hieraus ergebenden Nettobetrag an den Kläger aus. ...."
Das Arbeitsgericht hat den Streitwert auf 9.840,00 € (je eine Quartalsvergütung von 4.800,00 € für die Kündigungen vom 03.11. und 06.12.2017 zuzüglich 240,00 € ≪je 80,00 € oder 5 % einer Bruttomonatsvergütung für die verlangten drei abzurechnenden Monate November 2017 bis Januar 2018≫) festgesetzt. Die Vergütungsansprüche wirkten sich nicht werterhöhend aus, weil sie mit den Bestandsschutzanträgen wirtschaftlich identisch seien.
Mit ihrer Beschwerde begehrt die Bezirksrevisorin eine Herabsetzung des Streitwerts auf 7.529,20 € (4.800,00 € für den Antrag betreffend die erste Kündigung vom 03.11.2017, 1.777,20 € für den Antrag betreffend die Kündigung vom 06.12.2017 entsprechend der Vergütungsdifferenz vom 17.11. bis 21.12.2017 sowie 952,00 € Vergütung für den Zeitraum vom 01. bis 17.11.2017 inklusive 5 % für die begehrten Abrechnungen; im Übrigen bestehe Wertidentität zwischen den Zahlungs- und den Bestandsschutzanträgen).
Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeh...