Rechtsmittel eingelegt: ja

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Beteiligungsrecht des Betriebsrats bei der Versetzung von Tendenzträgern (Abteilungsleiterin bei der AWO)

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Beteiligungsrecht des Betriebsrats bei einer personellen Maßnahme, hier der Versetzung nach § 99 Abs. 1 BetrVG von Tendenzträgern, ist gemäß § 118 Abs. 1 BetrVG eingeschränkt. Der Arbeitgeber muß über die personelle Einzelmaßnahme informieren. Die Maßnahme bedarf aber nicht der Zustimmung des Betriebsrats (im Anschluß an BAG, B. v. 27.07.1993 – 1 ABR 8/93 – AP Nr. 51 zu § 118 BetrVG 1972 u. B. v. 08.05.1990 – 1 ABR 33/89 – AP Nr. 46 zu § 118 BetrVG 1972).

2. Dies gilt auch dann, wenn die Maßnahme (Versetzung) ersichtlich gegen die arbeitsvertraglichen Vereinbarungen mit einem betroffenen Tendenzträger verstößt, der Sonderkündigungsschutz gem. §§ 15 Abs. 1 S. 1 KSchG, § 103 BetrVG genießt (im Anschluß an BAG B. v. 10.08.1993 – 1 ABR 22/93 – NZA 1994, S. 187 = AiB 1994, S. 315 f.).

 

Normenkette

BetrVG § 118 Abs. 1, § 99 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Freiburg i. Br. (Beschluss vom 04.02.1998; Aktenzeichen 4 BV 1/98)

 

Tenor

1. Der Beschluß des Arbeitsgerichts Freiburg vom 04.02.1998, Az. 4 BV 1/98, wird auf die Beschwerde des Antragstellers/Beschwerdeführers – Beteiligter Ziff. 1 – abgeändert:

Es wird festgestellt, daß die Versetzung der Sozialarbeiterin Frau … G. in die Dienststelle in B. … Str. … ab 01.01.1998 nicht der Zustimmung des Betriebsrats/Antragsgegners bedarf.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um Notwendigkeit und Zustimmung zur Versetzung der Vorsitzenden des antragsgegnerischen Betriebsrates.

I.

Der antragstellerische Kreisverband … und … der … betätigt sich im Bereich der offenen Altenhilfe, der Schwerstbehinderten- und Aussiedlerbetreuung mit Aufgaben der Pflege und Versorgung u. ä. und beschäftigt in der Hauptstelle in E. und in einer Außenstelle in B. ca. 48 Arbeitnehmer, darunter bis Januar 1998 2 Sozialarbeiterinnen mit verschiedenen Aufgaben der Hilfe und Pflege. Eine weitere Außenstelle M. wurde aus finanziellen Gründen zum 30.04.1998 geschlossen.

Die Beteiligten haben bereits im Verfahren 4 BV 15/97 über eine Zustimmungsersetzung zur Versetzung von Frau G. gestritten. Mit Schreiben vom 17.07.1997 beantragte der Arbeitgeber beim Betriebsrat gemäß § 99 BetrVG die Zustimmung zur Versetzung der in E. tätigen Sozialarbeiterin Frau G. die zugleich Vorsitzende des Betriebsrates ist, auf einen Arbeitsplatz „Koordination der Betreuung Schwerstbehinderter im Rahmen der ISB” in B. mit Wirkung ab 01.01.1998. Der Arbeitgeber hat dies damit begründet, daß Zuschüsse des Landes für einen Arbeitsplatz in E. mit jährlich DM 50.000,00 weggefallen seien und daher dieser Teilbereich eingestellt werden müsse. Der Arbeitskräftebedarf, der durch eine Sozialarbeiterin abgedeckt werden könne, werde auf die Tätigkeit einer einzigen Sozialarbeiterin reduziert. Da lediglich Frau G. und eine Frau B. in B. als Sozialarbeiterinnen beschäftigt würden, käme nur eine Versetzung der Frau G. nach B. in Frage. Der befristet bis 31.12.1997 beschäftigten Frau B. solle vorsorglich gekündigt werden. Frau G. ist als Dipl. Sozialarbeiterin aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrages vom 13.03.1987, auf den der Einzelheiten wegen verwiesen wird (ABl. 6, 7 beigez. Akten 4 BV 15/97), seit 01.08.1987 mit der Tätigkeit „Koordinatorin und Beraterin der mobilen sozialen Hilfsdienste” eingestellt. Nach einem ihr erteilten Zwischenzeugnis vom 20.02.1997 ist Frau G. mit folgenden Tätigkeiten befaßt;

  • Koordination der offenen Altenhilfe der … in den Landkreisen … und …,
  • Abteilungsleitung für Schwerstbehindertenbetreuung und Aussiedler Leiterin „…-Pflege und Versorgung”
  • Fachvertretung in Gremien bei Behörden und Verbänden.

Die Aufgabe „Leitung …-Pflege und Versorgung” nimmt weit mehr als 50 % der Arbeitszeit von Frau G. in Anspruch.

Frau G. ist in IV a BMT-AW II, Frau B. war in IV b BMT-AW II eingruppiert. Das Arbeitsgericht hat im Verfahren 4 BV 15/97 durch – inzwischen rechtskräftigen – Beschluß vom 15.10.1997 den Antrag des Arbeitgebers auf Zustimmung zur Versetzung der Frau G. zurückgewiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Beschluß vom 15.10.1997 im Verfahren 4 BV 15/97 (dortige ABl. 72–79) Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 09.12.1997 (ABl. 8/9) an die stellvertretende Vorsitzende des Betriebsrates, hat der Arbeitgeber erneut eine Information gemäß § 99 BetrVG erteilt und vorsorglich einen Antrag auf Zustimmung zur Versetzung von Frau … G. angebracht. Zu dem Schreiben heißt es u. a.:

„… Insbesondere überraschten Sie mit der Erklärung, der Arbeitsplatz, auf den Frau G. versetzt werden soll, sei dem bisherigen Arbeitsplatz von Frau G. nicht gleichwertig.

Richtig ist an diesem Hinweis lediglich, daß Frau B. eine geringfügig niedrigere Vergütung erhält als Frau G. Selbstverständlich wird Frau G. aber, soweit nach wie vor hieran Bedarf besteht, ihre Funktionen, die zur Eingruppierung nach Vergütungsgruppe IV a (Fallgruppe 16)...

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