Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozesskostenhilfe. vollständiger Antrag. keine Hinweispflicht des Gerichts. Anforderungen an die Vollständigkeit des Antrags
Leitsatz (amtlich)
1. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist nur vollständig, wenn ihm die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beigefügt ist bzw. diese nachgereicht wird (im Anschluss an BGH, Beschluss vom 29.06.2010, VI ZA 3/09, NJW 2010, 3101 (3102)).
2. Der vollständige Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe muss vor Abschluss des Verfahrens in der Hauptsache vorliegen. Wird die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse erst nach Abschluss des Verfahrens in der Hauptsache vorgelegt, war der Antrag unvollständig und daher unzulässig. Er ist zurückzuweisen. 3. Das Gericht ist grundsätzlich nicht verpflichtet, auf die ausstehende Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse hinzuweisen. Es gibt keine allgemeine Prozesskostenhilfeverschaffungspflicht.
Normenkette
ZPO §§ 117, 139 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Karlsruhe (Entscheidung vom 07.01.2011; Aktenzeichen 1 Ca 395/11) |
Tenor
1. Die Beschwerde der Klägerin vom 11.11.2011 (Bl. 39 f. der Akte) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts vom 07.11.2011 (Bl. 35 der Akte) wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Mit der am 20.10.2011 eingereichten Kündigungsschutzklage beantragte die Klägerin,
ihr Prozesskostenhilfe unter gleichzeitiger Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. P. C. L., R. zu bewilligen.
Sie teilte mit, die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse werde nachgereicht. Das Arbeitsgericht legte den 15.11.2011 als Termin der Güteverhandlung fest.
Am 26.10. gingen gleichlautende Vergleichsvorschläge der Parteien beim Arbeitsgericht ein. Die Parteien baten das Gericht, das Zustandekommen des Prozessvergleichs gem. § 278 Abs. 6 ZPO festzustellen. Gleichzeitig bat die Klägerin darum, über die beantragte Prozesskostenhilfe zu entscheiden.
Das Arbeitsgericht stellte mit Beschluss vom 27.10. fest, dass die Parteien einen Vergleich mit dem mitgeteilten Vergleichstext abgeschlossen hatten. Mit Verfügung vom 31.10. wies es die Klägerin darauf hin, dass keine Prozesskostenhilfe bewilligt werden könne, weil das Verfahren abgeschlossen sei und keine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorliege.
Am 03.11.2011 ging die Erklärung der Klägerin beim Arbeitsgericht ein. Sie bat das Arbeitsgericht, über ihren Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu entscheiden. Das Arbeitsgericht wies den Antrag mit Beschluss vom 07.11. zurück. Prozesskostenhilfe könne nicht bewilligt werden, weil das Verfahren in der Hauptsache bereits abgeschlossen gewesen sei, als die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse das Gericht erreicht habe.
Der Beschluss des Arbeitsgerichts wurde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 09.11.2011 zugestellt. Die Beschwerde der Klägerin ging am 14.11. beim Arbeitsgericht ein. Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Die Klägerin trägt vor,
das Arbeitsgericht hätte sie im Rahmen gebotener gegenseitiger Rücksichtnahme darauf hinweisen müssen, dass eine nachträglich eingereichte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht mehr berücksichtigt werde. Es hätte sie noch vor Abschluss des Verfahrens dazu auffordern können, die Erklärung vorzulegen. Da sie weder einen Hinweis erhalten habe, noch vom Arbeitsgericht aufgefordert worden sei, habe sie darauf vertrauen können, dass es ausreiche, wenn sie - wie angekündigt - ihre Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nachreiche. Das Arbeitsgericht hätte ihrem Antrag nach Eingang der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse stattgeben können.
II. Die zulässige Beschwerde der Klägerin hat keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat ihren Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Recht zurückgewiesen. Der Klägerin konnte nach Abschluss des Verfahrens in der Hauptsache keine Prozesskostenhilfe bewilligt werden, weil bis zum Abschluss kein vollständiger Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe vorlag (1). Das Arbeitsgericht war im Vorfeld nicht verpflichtet, die Klägerin auf diese Rechtslage hinzuweisen oder sie zur Vorlage der Erklärung aufzufordern (2).
1. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe muss dem Gericht vor Abschluss des Verfahrens in der Hauptsache vollständig vorliegen. Zu einem vollständigen Antrag gehört auch die Erklärung des Antragstellers über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (§ 117 ZPO - vgl. BGH, Beschluss vom 29.06.2010, VI ZA 3/09, NJW 2010, 3101 (3102)). § 114 ZPO knüpft die Prozesskostenhilfe u.a. daran an, dass eine Rechtsverfolgung beabsichtigt ist und sie hinreichende Erfolgsaussichten hat. Die Prozesskostenhilfe soll die (noch nicht/begonnene) Pr...