Entscheidungsstichwort (Thema)
Streitwert eines Mehrvergleichs
Leitsatz (amtlich)
1. Für die Frage des Vorliegens eines "Streits" oder einer "Ungewissheit" im Sinne des § 779 Abs. 1 BGB kommt es auf den Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses an (wie LAG Hamm 27. Juli 2007 - 6 Ta 357/07 - [...] Rn 36; entgegen LAG Rheinland-Pfalz 11. April 2011 - 1 Ta 21/11 - [...] Rn 11).
2. Eine vergleichsweise vereinbarte Freistellung begründet nur dann einen Mehrwert, wenn sich zuvor eine Partei eines Anspruchs auf oder eines Rechts zur Freistellung berühmt hat und die Gegenseite diesem Begehren entgegengetreten ist (wie I.22.1.4 des Streitwertkatalogs für die Arbeitsgerichtsbarkeit in der Fassung vom 05.04.2016 ≪NZA 2016, 926 ff.≫; entgegen LAG Hamburg 14. September 2016 - 6 Ta 23/16 - [...] Rn 15).
Normenkette
GKG § 63 Abs. 2; BGB § 779 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Mannheim (Entscheidung vom 03.04.2017; Aktenzeichen 3 Ca 350/16) |
Tenor
- Auf die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin wird der Wertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Mannheim vom 03.04.2017 - 3 Ca 350/16 - dahingehend abgeändert, dass neben dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert von 44.826,60 € ein Vergleichsmehrwert von 20.000,00 € festgesetzt wird.
- Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Beschwerde betrifft die Wertfestsetzung des Arbeitsgerichts gemäß § 63 Abs. 2 GKG.
Im Ausgangsverfahren wandte sich die gegen eine durchschnittliche Bruttomonatsvergütung in Höhe von 11.206,65 EUR bei der Beklagten beschäftigte Klägerin gegen die jeweils zum 31.01.2017 ausgesprochenen ordentlichen Arbeitgeberkündigungen vom 18.07.2016 (Antrag zu 1) und vom 21.07.2016 (Antrag zu 2), begehrte die allgemeine Feststellung des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses (Antrag zu 3) sowie hilfsweise für den Fall des Obsiegens mit den Bestandsschutzanträgen die vorläufige Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Bestandsschutzrechtstreits (Antrag zu 4).
Der Rechtsstreit endete durch Vergleich vom 28.11.2016 (im Folgenden: "Vergleich" ≪Bl. 63 ff. der Akte≫). Darin ist unter anderem geregelt:
"1. Zwischen den Parteien besteht Einvernehmen darüber, dass das zwischen Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis sowie alle etwaigen weiteren Arbeits- und Dienstverträge zwischen der Kl. und der Bekl. sowie mit ihr verbundenen Unternehmen aus dringenden betrieblichen Gründen aufgrund der arbeitgeberseitigen Kündigung vom 18.07.2016 zum 31.03.2017 sein Ende finden wird.
2. ...
Weiterhin besteht Einvernehmen zwischen den Parteien, dass die Zielerreichung gemäß dem geltenden Management I. C. P. (....) für das Geschäftsjahr 2017 auf 100% festgelegt wird. Der daraus entstehende Anspruch wird pro rata temporis ausgezahlt und ist mit dem letzten Gehalt fällig. Bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.03.2017 erfolgt eine Auszahlung eines Bonus in Höhe von 20.507,75 Euro brutto. Bei einem vorzeitigen Ausscheiden erfolgt eine anteilige Abrechnung.
Weiterhin besteht zwischen den Parteien Einvernehmen darüber, dass für das Geschäftsjahr 2016 (01.04.2015 bis 31.03.2016) eine einmalige Sonderzahlung in Höhe von 10.000,00 Euro erfolgt.
...
3. Die Kl. bleibt unter Anrechnung des ihr noch zustehenden Urlaubs, sowie noch entstehender Urlaubsansprüche und unter Fortzahlung der vertragsgemäßen Vergütung bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses unwiderruflich von der Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt.
...
7. Die Bekl. verpflichtet sich der Kl. ein wohlwollend formuliertes qualifiziertes Abschlusszeugnis mit der Note "sehr gut" und einer entsprechenden Dankes- und Bedauernsformel zu erteilen. Die Kl. ist berechtigt der Bekl. einen entsprechenden Zeugnisentwurf vorzulegen, von dem diese nur aus wichtigem Grund abweichen kann."
Das Arbeitsgericht hat den Streitwert auf 44.826,60 EUR (= 3 durchschnittliche Bruttomonatsvergütungen der Klägerin für die Bestandsschutzanträge und 1 durchschnittliche Bruttomonatsvergütung für den allgemeinen Weiterbeschäftigungsantrag), aber keinen Vergleichsmehrwert festgesetzt.
Mit der Beschwerde begehren die Prozessbevollmächtigten der Klägerin zuletzt noch die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts von 51.714,41 € (40.507,76 € für die Bonuszahlungen und 11.206,65 € für die Zeugnisregelung).
Das Arbeitsgericht hat der begehrten Anhebung nicht entsprochen und die Beschwerde dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin ist statthaft (§ 68 Abs. 1 Satz 1 GKG); sie ist form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 68 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG) und auch im Übrigen zulässig, aber nur teilweise begründet. Das Arbeitsgericht hat den Streitwert zutreffend auf 44.826,60 € festgesetzt (1.), zu Unrecht jedoch jeglichen Vergleichsmehrwert abgelehnt. Dem Vergleich der Parteien vom 28.11.2016 (im Folgenden: "Vergleich" ≪Bl. 63-65 der Akte≫) ist bezüglich der Bonuszahlung für das Geschäftsjahr 2016 (01.04.2015 bis 31.03.2016) gemäß Nr. 2 Unterabs....